Damallsvenskan 2012

Morgen Mittag mache ich mich auf den Weg nach Tyresö, südöstlich von Stockholm, wo Hans Löfgrens Werk, das er vor gut fünf Jahren begonnen hat, den ersten Schritt seiner Bollendung erleben soll. Von der vierten Liga zum Meistertitel. Damals, so hat er mir einmal erzählt, spielte seine Tochter in einer Jugendmannschaft von Tyresö FF. Er hatte mitbekommen, dass die erste Mannschaft Tyresös gerade abgestiegen war. Und ein Gedanke keimte auf. In den Wochen darauf hat er dann seine legendäre Power-Point-Präsentation geschrieben, ist damit zum Vorstand des Vereins gegangen und hat seinen Plan vorgestellt. Das gerade abgestiegene Team sollte 2012 schwedischer Meister werden und 2014 die Champions League gewinnen.

Wenn man gerade in die vierte Liga abgestiegen ist, hält man solche Pläne und Visionen sicher für Wolkenkuckucksheime. Aber Löfgren kann Leute überzeugen, der Verfein sagte: „Mach mal“ und ernannte den Mittvierziger zum Sportchef. Er besorgte gleich fünf neue Spielerinnen aus der zweiten Liga und die Reise startete. Trainer war damals Tino Katsoulakis, ein Mann der Fußball mit großem Engagement lehrt und der bis heute sehr beliebt bei seinen Spielerinnen ist. Azra Durakovic ist ein großes Stück des Wegs mitgegangen, sie war Mannschaftskapitänin und spielte noch ein Jahr in der erstn Liga, 2010. Dann war sie aber schon nicht mehr gut genug. Und das ist das Traurige an der Erfolgsgeschichte. Von denen, die vor fünf Jahren den rasanten Aufstieg durch das Seriensystem begannen, ist heute keine einzige Spielerin mehr aktiv in der Mannschaft.

Stattdessen Weltklasse und schwedische Spitze: Marta, Vero Boquete, Caroline Seger, Elaine Moura, Kirsten van de Ven, Madelaine Edlund, Lisa Dahlkvist, Line Röddik Hansen, Linda Sembrant, Johanna Frisk, Annika Svensson, Carola Söberg. Das sind schon 12 Namen. Eine aus dieser beeindruckenden Auswahl wird morgen auf der Bank sitzen müssen. Trainer Stefan Fredriksson sagte mir am Dienstag in Göteborg, dass das auch seine Aufgabe sei: „Ich muss vermitteln und erklären, warum einige nicht spielen werden. Aber wir haben auch einen einzigartigen Luxus. Für die Nationalspielerinnen hat eine Saison bis zu 40 Spiele. Es gibt immer Wehwehchen. Wenn mal jemand angeschlagen ist, können wir sie immer fast gleichwertig ersetzen.“

Tyresö ist also der haushohe Favorit auf die Meisterschaft. Und Linköping, das sich so grandios verstärkt hat, wird durch den Kreuzbandriss von Linda Sällström zwar nicht wesentlich schwächer, aber die Alternativen werden geringer für Sportdirektor Jörgen Pettersson. Für Emma Lundh kann die Verletzung Sällströms allerdings den Stammplatz bedeuten. Eine Spielerin, der ich den Durchbruch und eine sensationelle Saison zutraue.

Ich werde jetzt nicht die Vereine der Liga herunterbeten. Malmö und Göteborg heißen die anderen beiden Teams, die es packen könnten, aber wohl eher um Bronze spielen werden. Aber an einem guten Tag können sie fast alle schlagen. Aber da Tyresö nicht nur die beste Spielerin der Welt hat, sondern vielleicht auch die zweit- oder drittbeste in Vero, muss sich schon eine der Beiden verletzen, damit es schief gehen soll. Achillesferse ist die Abwehr, die Vier sind nicht sonderlich schnell, das sind aber eben Manon Melis und Lisa DeVanna. Kriegt die portugiesischstämmige Australierin ihr berüchtigtes Temperament in den Gridd und bildet ein Angriffspaar mit Melis, dann dürfte das eine der besten Sturmreihen der Welt sein. Nicht auszudenken, wie das mit Sällström hätte aussehen können. Tyresös Abwehr wäre schwindlig geworden und hätte hinterhergehechelt.

Wir werden ein großes Mittelfeld haben in dieser Saison. Fünf Vereine: Kristianstad, Umeå, Örebro, Jitex und Piteå. Je nachdem, wer das Puzzle besser hinbekommt, wird vorne landen. Ein bisserl Glück gehört auch dazu und um mit Bernd Schröder zu sprechen: „Fußball ist keine Naturwissenschaft.“

Das Jahr ist wichtig. Nächstes Jahr ist nämlich EURO angesagt in Schweden. Wir müssen alles tun, um eine stabile und gute Zuschauerbasis aufzubauen. Schon wieder macht das Gerede von der besten Liga der Welt die Runde, nachdem Malmö und Göteborg im Viertelfinale der CL Tschüss sagen mussten. Dummes Geschwätt? Mitnichten. Die Saison in Schweden liegt halt so verquer, dass man immer ein Jahr auf die CL-Teilnahme wartet. Jetzt werden wieder Malmö und Göteborg teilnehmen. Beide werden wieder ins Viertelfinale kommen, dann werden wir sehen. Aber die eigentlich aktuellen Topteams Tyresö und Linköping steigen im August 2013 ein, nach der EM. Das ist schon ein verzerrter Wettbewerb. Mal schauen, ob Tyresö dann Lyon Konkurrenz machen kann. Denn die Französinnen holen den Cup i München.

Eine andere Prognose. Die WPS wird nicht mehr zurückkommen, aber trotzdem wird es Profifußball in den USA geben. Fußball ohne Gehirn hat der charismatische Torbjörn Nilsson das genannt. Rauf, runter, rauf, runter, schießenm schießen, schießen. Physisch ist man in den USA auf einem sehr hohen Niveau, Taktisch und vor allem technisch weit hinter Europa zurück, wenn man mal von den privilegierten Spielerinnen des USWNT absieht, der Nationalelf. Aber an Christen Press werden wir unsere Freude haben in Schweden. Habe nie verstannden, warum Pia Sundhage sie nicht auf den vorderen Seiten ihres Notizbuches hatte.

Olympia wird sehr spannend. Es gibt zwei Favoriten. Die USA und Japan. Und in Frankreich einen ernst zu nehmenden Außenseiter. Ich glaube weder an Brasilien noch an Schweden. Obwohl beide den drei Genannten einen Strich durch die Rechnung machen können, wenn diese nicht 100%-ig vorbereitet sind. Leider ist Deutschland nicht dabei, aber man selber seine Chancen auf tölpelhafte Weise versemmelt. Jetzt bomben sich die Deutschen zur EURO und mit jedem Vierer-, Fünfer- und Sechserpack scheinen sie einen Aufschrei auszustoßen, dass man sie nicht vergessen soll. Wird man nicht. Deutschland mit dem neuen Traumduo Anja Mittag und Celia Okoyino da Mbabi ist Topfavorit auf die EURO,

Aber auch nicht bei der U19-EM dabei. Zum ersten Mal. Das Team, das Maren Meinert in Västerås antreten ließ, spielte gef’ällig, überzeugte aber nicht. Schweden ganz anders. Elin Rubensson brachte es auf den Punkt. Wir haben das Beste aus unseren Möglichkeiten gemacht, strahlte die Malmöerin, der Anja Mittag und Katrin Schmidt bei den Deutsch-Hausaufgaben helfen, nach dem Spiel und in freudiger Erwartung einer Reise in die Türkei.

Morgen aber erst einmal geht die Damallsvenskan los, 3.000 werden in Tyresö zur Premiere erwartet.Mehr dazu in etwa 24 Stunden. Ein spannendes Fußballjahr beginnt. Freuen wir uns darauf.

Nachbetrachtung U19: Schweden schlägt Deutschland 1:0

Die schwedische Startformation gegen Deutschland: oben vlnr Magdalena Ericsson, Jennie Nordin, Pauline Hammarlund, Therese Boström, Fridolina Rolfö, Julia Karlenäs. Unten vlnr: Amanda Ilestedt, Hanna Glas, Jessica Höglander, Malin Diaz, Elin Rubensson

Am Donnerstagnachmittag fuhr ich nach Västerås und sah mit rund 500 anderen Zuschauern bei freiem Eintritt (im Internet hatte noch 60 Kronen gestanden) die entscheidende EM-Qualifikationsbegegnung zwischen Schweden und Deutschland. Bei einem Unentschieden hätte Deutschland zwar „nur“ den zweiten Platz in der Gruppe belegt, aber sehr gute Chancen gehabt, als bester Gruppenzweiter die Quali zur EM-Endrunde in der Türkei im Juni zu schaffen.

Es kam anders. Zwar war das deutsche Team durchaus feldüberlegen, konnte aber daraus nichts Zählbares machen. Klar beste Spielerin war Lina Magull, die überraschenderweise gar nicht in der Bundesliga spielt, sondern beim Zweitligisten Gütersloh. Auf schwedischer Seite war da schon wesentlich mehr Erstligaerfahrung aufgeboten. Die Abwehrkette um Amanda Illestedt, Jennie Nordin und Magdalena Ericsson spielte kompromisslos und setzte der deutschen Herrlichkeit jeweils ein Ende.

„Wir haben unsere Tore eigentlich nur aus Standards gemacht und nicht aus dem Spiel, die Schwedinnen haben verdient die Gruppe gewonnen,“ sagte Maren Meinert in der kleinen Pressekonferenz.

Und ihr alter Bekannter und Gegner Calle Barling war happy wie schon lange nicht: „Diese Auswahl kann den ganzen Weg gehen, ich habe noch nie eine U19 gehabt, die ein so gutes Kombinationsspiel hatte,“ sagte Barling und Spielerin Elin Rubensson aus Malmö meinte, dass alle ihren Job hervorragend erledigt hätten. „Wir wussten, was wir zu tun hatten und haben alle unsere Aufgaben sehr gut ausgeführt.“

Das Tor übrigens schoss die für Tyresö spielende (auf der Bank sitzende) Pauline Hammarlund nach einem schnellen Konter in der ersten Halbzeit.