Abstimmung

Gestern Abend holte sich Abby Wambach endlich einmal den goldenen Ball (Ballon d’Or) in Zürich ab als beste Spielerin der Welt 2012. Hätte man nur auf die Leistungen des Jahres geschaut, wäre Alex Morgan die bessere Wahl gewesen, aber Morgan ist klug genug, anzuerkennen, dass Wambach einfach dran war. Ihre eigene Zeit wird kommen.

Stimmberechtigt bei der Wahl sind übrigens die Nationalmannschaftskapitäninnen und Trainer sowie ausgewählte Journalisten. Einige geben wirklich bisweilen bizarre Stimmen ab. Wie anders wäre zu erklärten, dass Marta noch vor Alex Morgan auf Platz 2 landete.

Wie anders wäre zu erklären, dass die 2011 überragende, aber 2012 lange verletzte und bei Olympia eher unscheinbare Honore Sawa ganz knapp hinter Marta und Morgan auf Rang vier landete?

Hier einige prominente Wählerinnen und ihre Wahl. Die gesamte Liste könnt ihr hier sehen:

Melissa Barbieri / Australien wählte: Alex Morgan
Marta / Brasilien: Aya Miyama
Christine Sinclair / Kanada: Aya Miyama
Pu Wei / China: Homare Sawa
Castillo Dayana / Kolumbien: Marta
Katrine Pedersen / Dänemark: Carli Lloyd
Casey Stoney /
England: Christine Sinclair
Maija Saari / Finnland: Alex Morgan
Sandrine Soubeyrand / Frankreich: Abby Wambach
Nadine Angerer / Deutschland: Abby Wambach
Katrin Jonsdottir / Island: Christine Sinclair
Aya Myama / Japan: Homare Sawa
Maribel Dominguez / Mexico: Christine Sinclair
Daphne Koster / Niederlande: Carli Lloyd
Rebecca Smith / Neuseeland: Homare Sawa
Ingvild Stensland / Norwegen: Christine Sinclair
Ksenia Tsibujtovich / Russland: Abby Wambach
Precious Dede / Nigeria: Abby Wambach
Nilla Fischer / Schweden: Christine Sinclair
Christie Rampone / USA: Alex Morgan

Vero Boquete: „Schwer, nicht an das Spiel zu denken“

Vero Boquete – eine der weltbesten Mittelfeldspielerinnen

In weniger als 48 Stunden wissen wir, wer schwedischer Meister 2012 ist. Dann ist das mit großer Spannung erwartete „Finale“ zwischen LdB FC Malmö und Herausforderer Tyresö FF zu Ende. Malmös Pressesprecherin Anna Hjertstedt schickte am Nachmittag eine Mail und bat die akkredierten Journalisten und Fotografen um Geduld und Verständnis am Samstag. Es könne eng werden. Statt der üblichen 15 Medienvertreter hätte man bereits 35 akkreditiert. Mit Sicherheit wird der bisherige Zuschauerrekord dieser Saison locker gebrochen. Man rechnet mit 5.000 und mehr.

Kein Wunder, es wird ein Finale geben, das man so schon ganz lange nicht im Frauenfußball Schwedens erlebt hat.

Ich habe mich mit Tyresös spanischer Weltklassespielerin Vero Boquete getroffen. Und mit ihr über ihre letzte Woche geredet, zu der nicht nur die neue Chance auf den Meistertitel in Schweden gehört, sondern eben auch die Erfahrung des entscheidenden EM-Qualifikationsspiels gegen Schottland in der Nähe von Madrid.

Und ich verstehe nicht, warum Vero nicht unter den zehn besten Spielerinnen der Welt von der FIFA nominiert ist. Eine Auswahl, die immer mehr an Glaubwürdigkeit verliert, auch wenn ich in der Liste Homare Sawa sehe, die ein halbes Jahr verletzt war, aber nicht Yuki Ogimi. Aber das ist ein anderes Thema.

Madrid vor einer Woche. Die Spanierinnen waren favorisiert nach dem 1:1 in Glasgow, aber Schottland ging in Führung, Spanien glich aus und Schottland ging in der Verlängerung abermals in Führung. Jetzt mussten aufgrund der Auswärtstorregelung schon mindestens zwei Tore für Spanien her. Der Ausgleich fiel in der 113. Minute. Und dann Elfmeter in der 119. Eine goldene Situation für Vero. Sie lief an, schoss halbhoch und Gemma Fay boxte den Ball aus der linken Ecke zur Seite.

„In dem Augenblick schien mir, als ob mein Herz stehen bleiben würde,“ erzählt Vero Boquete. „Mir gingen in Windeseile Gedanken durch den Kopf. Das nach Elfmeterschießen verlorene Finale der WPS, das wir (Philadelphia Independence) gegen Western New York verloren haben. Andere Spiele,  bei denen ich verloren habe. Und ich dachte, verdammt, schon wieder. Es waren so viele Bekannte, Freunde und Verwandte da. Wir haben weitergespielt wie in Trance und dann in der 122. Minute köpft eine Mitspielerin im Strafraum den Ball zu mir und es ist verrückt, aber ich habe gewusst, das ist dein Ball, er fiel wie in Zeitlupe zu mir herunter und das Gefühl das ich hatte, als der Ball reinging, ist unbeschreiblich. Ich habe wohl noch nie solche Freude empfunden.“

Selber sah ich das Spiel mittels eines schlechten Internetstreams und der spanische Reporter rastete völlig aus: „Gol, gol, gol, gol, gol, gol, gol, gol…. España! España! España! España!…“

Vero erzählt mir, dass viele spanische Zeitungen nicht zuletzt wegen der Dramatik auf den ersten Seiten über das Spiel berichtet haben. Dort, wo man Frauenfußball auf der iberischen Halbinsel nicht oft findet, eigentlich nie.

Am Abend haben sie dann miteinander gegessen, nicht groß gefeiert. Vero musste am nächsten Tag zurück nach Schweden, wo am Samstag der 21. Spieltag mit dem Spiel gegen Jitex für sie anstand.

Ihr wolltet das Spiel gewinnen, klar, und habt ja auch dominiert. Ich hatte trotzdem das Gefühl, dass man da gesehen hat, dass der allerletzte Biss fehlte. Und mir schien, dass ihr euch so verhalten würdet, weil ihr wenigstens im Unterbewusstsein abgeschlossen hattet mit der Meisterschaft?

„Das kann sein. Gesagt hat das niemand. Wir wollten gewinnen und wir haben in der ersten Halbzeit auch völlig dominiert, danach wurden die besser. Aber ich will nicht ausschließen, das es tatsächlich so gewesen sein kann wie du sagst. Immerhin hatte Malmö fünf Punkte vor uns und alle haben wohl damit gerechnet, dass sie in Umeå gewinnen.“

Wo hast du dann am Sonntag das Spiel Umeå – Malmö (das live im TV übertragen wurde) gesehen?

Vero lacht: „Ich habe das überhaupt nicht gesehen. Keine Minute. Erst hinterher habe ich einiges gesehen. Nein, ich wollte und konnte mir das nicht ansehen. Stattdessen bin ich ins Fitnessstudio, alleine. Hatte mein Mobiltelefon abgeschaltet und habe vor mich hin trainiert. Irgendwann dann war Schluss und erst als ich rauskam, habe ich das Telefon angeschaltet und da waren Nachrichten. Und (Caroline) Seger hatte mich angerufen und das macht sie nur, wenn etwas Wichtiges passiert ist. Am Montag, als ich zum Training kam, habe ich in der Umkleide gescherzt und gesagt ‚Schaut mich an, ich bin euer Glückspilz. Bei soviel Glück, wie ich in den letzten vier Tagen hatte, kann uns nichts mehr passieren.‘ Nein, im Ernst, es ist wirklich ein kleines Wunder, das wir jetzt auf einmal aus eigener Kraft Meister werden können.“

Aber Malmö liegt drei Punkte vorn und denen reicht schon ein Unentschieden.

„Ja, aber sie können doch nicht auf ein Unentschieden gegen uns spielen. Ich denke, dass beide Teams gewinnen wollen. Und wer gewinnt, der wird schwedischer Meister und zwar mit Recht. Ich denke, dass wir nach dieser Saison dieses Finale auch verdient haben.“

Dass Tyresö jetzt aufgrund des Fehlens der in den letzten Wochen immer stärker werdenden Ramona Bachmann Favorit sei, lässt die 25-Jährige aus Santiago de Compostela nicht gelten.

„Nein. Wirklich: Wir hätten gerne gesehen, dass Ramona dabei ist. Denn wir alle wünschen uns das bestmögliche aller Spiele. Und es ist für den Frauenfußball in Schweden, aber nicht nur hier, ein tolles Ereignis. Ich bin sicher, eine gute Spielerin wird Ramona ersetzen. Das Spiel fängt bei 0:0 an, einen Favoriten gibt es nicht.“

 

Homore Sawa ist Weltfußballerin des Jahres

Die 33-Jährige Kapitänin der japanischen Weltmeistermannschaft von 2011, Homore Sawa, ist Weltfußballerin des Jahres 2011. Vor gut einer halben Stunde nahm Sawa den Preis in Zürich von der kolumbianischen Sängerin Shakira entgegen. Sawa verwies damit die fünffache brasilianische Weltfußballerin Marta und Stürmerstar Abby Wambach (USA) auf die Plätze. Homore Sawa spielte in den Jahren 2009 und 2010 mit Abby Wambach zusammen bei Washington Freedom. Bei der WM in Deutschland wurde sie nicht nur mit fünf erzielten Treffern Torschützenkönigin. Die Japanerin führte ihr Team auch mit einer stoischen Ruhe und ostasiatischer Demut zu Siegen über Ex-Weltmeister Deutschland, den späteren WM-Dritten Schweden und Olympiasieger USA. Sawas Ausgleichstor im WM-Finale gegen die USA in der 116. Minute brachte die „Nadeshiko“, wie das Frauenteam in Anlehnung an ein japanisches Frauenideal genannt wird, erst ins Elfmeterschießen, als man schon fast geschlagen schien.

Aber eben jene Ruhe, das Spiel fortzusetzen, nicht in Panik zu verfallen, wenn es mal nicht läuft, symbolisierte die Kapitänin wie kaum eine andere. Und das in einem Jahr, das wohl die schlimmsten Katastrophen für Japan seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki brachte. Der durch ein enormes Seebeben ausgelöste Tsunami fegte über Homore Sawas Land mit einer zerstörerischen Kraft hinweg. Knapp 16.000 Menschen kamen ums Leben und die Kernschmelze in den Reaktoren von Fukushima sorgte für eine nukleare Katastrophe in Japan und bedeutete den Abschied vom Irrglauben, dass Kernenergie beherrschbar ist.

Sawas sportliche Leistung in diesem Kontext konnte nichts anderes bedeuten als den Erfolg bei der FIFA-Gala in Zürich. Der Preis für den besten Frauentrainer ging erwartungsgemäß ebenfalls an den Coach Japans, Norio Sasaki.

Während Abby Wambach fair und herzlich applaudierte, wirkte Marta nicht unbedingt glücklich auf ihrem Platz neben der Kontrahentin, aber überbewerten sollte man die Mimik der Brasilianerin nun auch wieder nicht.

In der Pressekonferenz am Nachmittag hatte Sawa übrigens erklärt, dass sie 2012 in Japan spielen werde. Auf dieselbe Frage antworteten Marta und Abby Wambach nicht ganz so eindeutig. Marta will weiterhin auf dem höchsten Niveau spielen und Abby Wambach sagte, dass es einige Ligen gäbe, die sehr hohes Niveau halten würden und dass sie ihre Entscheidung in Abstimmung mit ihrer Familie und ihren Freunden treffen werde.