Aus jeder Lage schießen


 

Christen Press

Christen Press auf dem Tyresövallen im Juni 2012

Vor einer guten Woche habe ich ein wenig über Anja Mittag und ihre Saison geschrieben, nun ist Christen Press an der Reihe.

Die gerade 24 Jahre alt gewordene Stürmerin stammt aus Kalifornien, aus der Nähe von Los Angeles und zum ersten mal wurde ich auf sie aufmerksam, als sie in der WPS bei magicJack spielte, zusammen mit Abby Wambach und Hope Solo. Pro Woche wurde ein Spiel live und gratis im Internet übertragen und meistens war das sonntags um Mitternacht unserer Zeit. Press hat 2011 in 17 Spielen acht Tore geschossen und schnitt damit hervorragend ab, denn Marta, die in ihren drei WPS-Jahren die Torjägerinnenliste in drei verschiedenen Clubs gewann (!), hatte lediglich zwei Tore mehr erzielt.

Aber Christen Press war schon 2011 keine Unbekannte. Sie hatte an der renommierten Stanford University in der Nähe von San Francisco studiert und auch für das Fußballteam gespielt. 2010, in ihrem letzten Jahr an der Uni, gewann sie die sogenannte Hermann-Trophy, den Preis für die beste College-Spielerin in den USA. Vor ihr holten u.a. Christine Sinclair, Anne Mäkinen, Mia Hamm und Kristine Lilly die begehrte Trophäe.

Und für ihr erstes Jahr in der amerikanischen Profiliga wurde sie neben Alex Morgan und Sydney Leroux für den Preis „beste Newcomerin der Liga“ nominiert und irgendwie habe ich immer gedacht, Morgan hätte den Preis bekommen.

Als ich Christen Press am Rande der Fotbollsgalan im November 2012 in Stockholm in der Mixed Zone traf und sie auf einen vereinbarten Fototermin mit Anja Mittag wartete, bemühte ich mich, etwas Small Talk zu machen und sagte, dass ich die Nominierung ganz toll gefunden hatte, dass aber ja Morgan den Preis bekommen hätte.

Sie lächelte: „No, it was actually me, who won the award.“ So kann man ins Fettnäpfchen treten und lernt daraus, beim nächsten Mal alles genauer im Vorfeld zu lesen.

Ein nächstes Mal schien es dann aber doch erst einmal nicht zu geben, denn Christen und ihr Verein Kopparberg/Göteborgs FC trennten sich. Gerne hätte man die schnelle und schussstarke Goalgetterin behalten, die nicht nur 17 Tore in der Liga schoss, sondern auch im Pokalfinale gegen Tyresö (Göteborg gewann 2:1 nach Verlängerung) entscheidenden Anteil daran gehab hatte, die Trophäe in Göteborg behalten. Aber Christen wollte zu den Lagern der amerikanischen Nationalmannschaft, die alle paar Wochen stattfinden, eine Freigabe bekommen und dazu war Göteborg nicht bereit. Was man verstehen kann, denn so hätte die Amerikanerin bei vielen Spielen gefehlt und wäre ständig zwischen USA und Schweden hin- und hergeflogen.

Ende November reiste sie mit ihrer Schwester nach Peru und wanderte in den Anden zur Festung Macchu Picchu und am 27. November schrieb Christen in ihrem Blog: „Jetzt, wo ich an der Peripherie der amerikanischen Nationalmannschaft bin und die Profiliga vor der Tür steht, zögere ich etwas meine persönlichen und  beruflichen Ziele in Schweden aus Angst um meine amerikanischen Fußballträume weiter zu verfolgen. Theoretisch scheint es ein tolles Jahr zu sein, um im Ausland zu spielen, denn es stehen keine großen Turniere für das USWNT an, aber drei Faktoren stören meine Überzeugung: 1) Mit einem neuen Trainer Tom Semanni und einer neuen Leitung scheint das nächste Jahr eines zu werden, dass „neuen“ Spielerinnen die Möglichkeit gibt, gesehen zu werden. 2) Eine starke, eigene Liga ist sehr wichtig für die Entwicklung des Frauenfußballs in den USA, weil es eine Umgebung mit starkem Wettbewerb braucht, in der neue Spielerinnen gesehen werden können und um Plätze im team konkurrieren können. 3) In der neuen Liga zu spielen ist eine Art und Weise, an der wachsenden Bedeutung des Fußballs bei uns Anteil zu nehmen. Ein paar Tage, bevor wir in die Anden aufbrachen, fragte mich jemand, warum ich den Inka-Pfad gehen wolle und ich sagte, dass meine Überlegungen vielleicht klarer würden während der Wanderung.“

So muss es dann gewesen sein, denn im Dezember galt es dann als offenes Geheimnis, dass Press doch nicht in die USA zurückkehren würde, sondern beim schwedischen Meister Tyresö das Dream Team noch weiter verstärken würde.

Ich habe Christen Press bei allen Auswärtsspielen in Stockholm getroffen 2012. Die erste Begegnung war nach dem Spiel gegen Tyresö, das 1:3 verloren ging. Das war kurz vor den Olympischen Spielen in London, wo Press und ihre künftige Mannschaftskameradin Meghan Klingenberg als Reserven von Pia Sundhage nominiert waren. Damals herrschte noch die Vorfreude auf das Olympische Dorf, in dem sie nur wenige Tage verbringen würden, da die USA außerhalb von London den Weg zum Finale finden musste.

Bei allen drei Spielen in Stockholm, von denen zwei verloren gingen, beeindruckte mich Press enorm. Nicht über die gesamte Distanz von 270 Minuten, aber sie ist enorm schnell, hat einen sehr gute Ballannahme und wie mir Vero Boquete über sie sagte: „Mir gefällt, dass sie wirklich aus allen Lagen schießt.“ Und Press‘ Schussversuche sind gut und kommen mit einer blitzschnellen Reaktionszeit. Das macht sie zu einer der besten Stürmerinnen, die derzeit in Europa Fußball spielen. Ausschnitte aus dem Pokalfinale und ein Interview gibt es im verlinkten YouTube-Video weiter unten.

„Ich bin nach Schweden gekommen, um eine bessere Fußballspielerin zu werden,“ sagte sie mir dann später in der Saison am Telefon. „Als ich hierher kam, wusste ich nicht recht, was mich erwarten würde, aber ich muss sagen, dass ich sehr positiv überrascht war. Meine Mannschaftskameradinnen waren sehr nett und haben mich sofort ins Team aufgenommen. Und als ich mich dann allmählich an die Spiel- und Lebensweise mehr angepasst habe, da bin ich nicht zuletzt als Fußballspielerin doch sehr gewachsen.“

Torbjörn Nilsson, Press Trainer in Göteborg, sagte nach der Verpflichtung der Amerikanerin, er habe sie nicht selber gesehen, aber dieses Mal habe er sich einfach auf Aussagen von Leuten verlassen, die viel vom Fußball verstehen. Für Christen war der Schritt nach Schweden einfach: „Als die WPS ihren Betrieb einstellte, wusste ich, dass ich jetzt ins Ausland gehen wollte. In Frage kamen da vor allem Schweden und auch Deutschland, weil man weiß, das die sehr gujte Ligen haben. Göteborg gefällt mir sehr gut, es ist eine nette Stadt, die Leute sind sehr hilfsbereit und wie ich gern sage, es sind die Leute, die ausmachen, wie ein Ort ist.“

Fahrrad gefahren, wie ihre englische Teamkameradin Anita Asante, ist sie aber nicht in der zweitgrößten Stadt Schwedens. Und sportlich? „Es war eine Saison, in der es rauf und runter ging und uns hat definitiv die Stabilität gefehlt. Jetzt ist es an der Zeit, das die Mannschaft ein Level nach oben kommt, beständiger spielt, um in der nächsten Saison unter die besten Zwei zu kommen,“ sagte Christen Press.

Am Ostermontag wird sie ihr Debüt in einem Wettkampfspiel geben, da geht es beim Supercup ausgerechnet gegen ihre alten Mannschaftskameradinnen.

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