Der Fall Stabæk


Leni Larsen Kaurin in Kalmar (Juli 2013)

Leni Larsen Kaurin in Kalmar (Juli 2013)

Gestern Morgen veröffentlichte die Lokalzeitung Budstikka, die eine überschaubare Auflage von ca. 23.000 Exemplaren hat und in den an Oslo grenzenden Gemeinden Asker und Bærum erscheint, ein Interview mit der norwegischen Nationalspielerin Leni Larsen Kaurin, in der sie erstmals offen über die Ereignisse des vergangenen Jahres aus ihrer Sicht sprach.

Zur Erinnerung: Kaurins Freundin Lisa Marie Woods hatte in ihrem englischsprachigen Blog aus Australien vor Wochenfrist über eine Spielerin berichtet, die von ihrem Trainer über Monate sexuell belästigt wurde. Selbst ich, der mit dem norwegischen Frauenfußball nicht sonderlich vertraut war, hatte als erste Idee, dass es sich um Kaurin und den norwegischen Meister- und Pokalsieger Stabæk handeln könnte, was sich also gestern bestätigte. In Norwegen muss das ein offenes Geheimnis gewesen sein.

Im folgenden nun eine ausführliche Zusammenfassung des Interviews und der Geschehnisse aus Sicht von Leni Larsen Kaurin.

Warum?

In diesem Blog geht es um Frauenfußball. Vornehmlich aus Schweden, aber nicht zuletzt seit der EM in Schweden 2013 bin ich dem norwegischen Nationalteam näher gerückt, weil wir fast zwei Wochen miteinander Tür an Tür gewohnt bzw. trainiert haben. ALLE Spiele, die ich bei der EM gesehen habe, hatten Norwegen als eines der spielenden Teams. Fünf Mal hatte ich die Gelegenheit in der Mixed Zone mit den norwegischen Spielerinnen zu sprechen, 3-4 mal besuchten wir das Training auf Gröndals IP in Kalmar und hatten angenehme Begegnungen und gute Gespräche.

In diesem Fall, denn es ist einer, ein Fall, den ich Fall Stabæk nennen möchte, geht es aber auch um etwas, das weit über den Fußball hinausgeht. Es geht darum, was sich Frauen in einem Arbeitsverhältnis gefallen lassen müssen und wie Arbeitgeber darauf reagieren, wenn weibliche Arbeitnehmer sexuellen Belästigungen durch leitende Angestellte ausgesetzt sind. Leni Larsen Kaurin hat mir gestern Abend noch einmal persönlich bestätigt, dass genau das eines der zentralen Anliegen ist, warum sie sich an die Öffentlichkeit gewandt hat: Anderen zu zeigen, was nicht erlaubt sein darf und dass man sich wehren muss.

Blenden wir also zurück. Was ist geschehen? Aus der Sicht der 32-Jährigen Spielerin.

Im Sommer 2012 unterschrieb Leni Larsen Kaurin beim Osloer Topclub Stabæk. Trainer war und ist bis heute Øyvind Eide. Von Beginn an habe sich Eide an der neuen Spielerin interessiert gezeigt. Man sah sich täglich auf dem Trainingsplatz und es habe auch sporadischen Kontakt außerhalb des Platzes gegeben. Am Anfang habe die 32-Jährige noch die Aufmerksamkeit und Komplimente, die bekam eher positiv gesehen, aber mit der Zeit hätte das deutlich zugenommen in Form von SMS, E-Mails und handgeschriebenen Notizen.

„Unter anderem bekam ich Links zu der Internetseite von VG [einer norwegischen Boulevardzeitung] und deren Seiten über Sex und Partnerschaft, auf denen Øyvind Model auf mehreren Illustrationsbildern war,“ berichtet Leni Larsen Kaurin gegenüber Budstikka.

Die Bilder des entkleideten Trainers fungierten hier als Illustration zu Artikeln über Sex. (Hier ein Beispiel mit anonymen Personen). Da mag man sich wirklich schon einmal wundern, was das für ein Trainer ist, der mehr oder weniger nackt in solchen Kontexten posiert. Und laut Budstikka erhielt Larsen Kaurin die Mails mit den anzüglichen Links mit der Unterschrift: „med sportslig hilsen Stabæk Fotball, Øyvind Eide, Hovedtrener Stabæk Kvinner“ (Mit sportlichen Grüßen, Stabæk Fußball, Cheftrainer Stabæk Frauen). Schlimmer gehts nimmer.

Kaurin sagt, dass ihr damit klar geworden sei, was der Trainer wolle. Bei einem Restaurantbesuch mit Eide im November 2012 habe die Kellnerin ihr einen Strauß roter Rosen gebracht und gesagt, dass die von Eide seien. „Ich bekam den Eindruck, dass die Kellnerin und die Personen um uns herum das Ganze als Verlobungssituation auffassten, wobei ich mich sehr schlecht fühlte.“

Zusätzlich zu den Blumen bekam Larsen Kaurin an diesem Abend einen Geschenkgutschein von Eide, auf dem er ihr eine „erotische Massage mit Happy End“ versprach, ausgeführt von ihm selber.

Nun begann sie zu überlegen, wie sie mit dieser Situation umgehen könne und müsse. Eide sei trotz allem ihr Trainer gewesen, sagt Kaurin und da sie nicht im geringsten dieselben Absichten wie er hatte, versuchte sie verzweifelt nach der richtigen Art von Reaktion zu suchen, die für alle Seiten den geringsten Schaden verursachen würde.

Genau hier wird der Fall Stabæk typisch. Sehr oft in solchen Situationen versucht das Opfer von exzessiver Verfolgung den Schaden zu minimieren, zum einen aus Selbsterhaltungstrieb und weil man gelehrt wurde, große Konflikte tunlichst zu vermeiden. Zum anderen aber sicher auch, weil man sich schämt, zügig öffentliche Hilfe zu suchen, aus der falschen Überlegung heraus, dass es jemanden geben könnte, der einen für „mitschuldig“ hält. Auch ich habe gestern überlegt, ob nicht an irgendeiner frühen Stelle schon ein deutlicheres Nein oder Absagen statt Zusagen etwa zu einem Abendessen zu Zweit hätten erfolgen können. Hätte man die Entwicklung dann stoppen können? Die Frage mag berechtigt sein, allerdings ist ein wie auch immer geartetes Nein, zu welchem Zeitpunkt auch immer ein NEIN, das man in zwischenmenschlichen Beziehungen zu akzeptieren hat.

Øyvind Eide hat dies offenbar nicht kapiert. Er hat es auch nicht akzeptiert. Der Übungsleiter von Stabæk outet sich aber auch als selbstverliebter Narziss, wenn er Kaurin Internetlinks schickt, auf denen er mehr oder weniger unbekleidet in nachgestellten erotischen Situationen posiert. Eide wollte sich das holen, von dem er überzeugt war, dass es ihm zustand. Und gesellte sich zu der leider nicht kleinen Schar Männer, für die ein weibliches Nein lange erst mal ein Ja ist.

„Das war nur der Auftakt des schlimmen Klimas, das sich entwickelte und das für mich nur schlimmer und schlimmer wurde, weil er einfach nicht nachließ,“ erzählt Leni Larsen Kaurin der ehemaligen Mannschaftskameradin und heutigen Journalistin Ragnhild Gulbrandsen.

Leni begann, auch das wieder typisch und vielerorts nachzulesen, sich Schutzmechanismen auszudenken und zuzulegen. Man vermeidet den Augenkontakt mit dem Chef, den man täglich sehen muss, versucht ihm aus dem Weg zu gehen, um bloß nicht wieder in eine unangenehme Situation zu kommen. „Ich lief umher und musste die ganze Zeit daran denken,“ sagt sie und man kann ihre Qualen und Hölle verstehen, die sie offenbar erst einmal mit niemandem teilen konnte.

„Ich weiß jetzt, dass ich viel früher mit anderen hätte reden müssen,“ sagt sie denn auch, „aber es ist leicht nachher klug zu sein.“

Die EM in Schweden stand vor der Tür. Es gab Ablenkung durch mehrere Lehrgänge und das Turnier, das für die Norwegerinnen bekanntlich sehr positiv verlief.

Nach der EM eskaliert die Situation. Leni hält es nicht mehr aus und geht zu einem Psychologen, der ihr rät, mit dem Trainer zu reden. Aber das kann sie nicht und man kann es ihr auch nicht verdenken. Sie denkt an die Mannschaft, die fast alle Spiele gewinnt, will nicht im Weg sein, denkt selber daran, aufzuhören und weiß nicht, was sie tun soll, zumal die meisten anderen den Trainer mögen, sein wahres Gesicht aber auch nicht kennen.

Sie trifft die falsche Entscheidung und beschließt, hart zu trainieren, den Mund zu halten und irgendwie damit fertig zu werden. Der eitle Øyvind Eide aber akzeptiert scheinbar nicht, abgewiesen worden zu sein. Larsen Kaurin landet im Herbst 2013 immer häufiger auf der Ersatzbank. Im Pokalendspiel gegen Avaldsnes im November wurde sie nicht aufgestellt und nicht einmal eingewechselt.

Leni Larsen Kaurin geht zu Stabæks Sportchef Richard Jansen und erzählt ihm, was geschehen ist.

„Ich wollte ihm eine Erklärung geben, warum ich so in mich gekehrt war und nicht die übliche Gute-Laune-Macherin, die ich früher einmal war.“

Sie erzählt Jansen die ganze Geschichte, zeigt ihm den inzwischen berüchtigten Massagegutschein. Jansen habe sich geschockt gezeigt, glaubt Larsen Kaurin, habe wenig kommentiert. Schon in diesem Gespräch stellt sich aber heraus, dass Eide ihr einen Schritt voraus ist. Richard Jansen erzählt Leni Larsen Kaurin, dass er ein Gespräch mit dem Trainer über sie gehabt habe und dass man gemeinsam beschlossen habe, ihr keinen Vertrag für 2014 anzubieten, da man die Mannschaft gezielt verjüngen wolle. Jansen verspricht ihr jetzt, unter Berücksichtigung des Gehörten noch einmal mit Eide zu sprechen und seine Version zu hören. Larsen Kaurin hört jedoch nichts mehr von Jansen.

Das Opfer sollte also schlicht und einfach weg. Entsorgt werden. Natürlich hat der Verein offiziell erst spät von der Geschichte erfahren. Sicher zu spät. Aber klug ist man leicht hinterher. Da hat Leni Recht. Eide muss das Ganze extrem peinlich gewesen sein. Er wollte Larsen Kaurin haben, die lehnte ihn ab, da machte es keinen Sinn mehr für ihn, die ohnehin sich ablehnend verhaltende Frau um ihn herum zu haben, zumal er sicher ständig befürchtet haben muss, dass sie über seine eher peinlichen, kläglichen und dümmlich-widerlichen Annäherungsversuche (Massagegutschein…) mal etwas zu Mannschaftskameradinnen wie Trine Rønning, Ingrid Hjelmseth oder Ingvild Stensland erzählen. Übrigens sind die alle Drei auch deutlich jenseits der 30 und wenn man die Mannschaft wirklich verjüngen wollte, dann…

Warum sie denn jetzt doch damit an die Öffentlichkeit gehe, fragt Gulbrandsen sie? Und es ist ihre Antwort, die überzeugt und die auch rechtfertigt, dass man auch außerhalb Oslos und Norwegens davon schreibt, liest und darüber spricht.

„Weil ich weiß, dass mein Fall kein Einzelfall ist. […] Auch, weil ich es jüngeren Spielerinnen, die viel mehr zu verlieren haben, leichter machen will, aber auch für die Erhaltung meiner Selbstachtung. […] Ich hoffe auch auf einen größeren Fokus auf dieses Thema in der Sport- und Berufswelt. Man wird unsicher und verletzbar, wenn eine Person mit Macht im Verhältnis zu deiner eigenen Entwicklung, nicht mit sexuellen Annäherungsversuchen aufhört. […] Ein Nein muss ein Nein bleiben, auch dem Chef gegenüber, wenn er oder sie über die Grenze gegangen ist, die man eigentlich nicht überschreiten darf. “

Ihre Zukunft lässt die 32-Jährige in dem Interview noch offen, sagt, sie habe den Kopf noch nicht frei darüber nachzudenken. Um weiterzumachen, müsse man mental und physisch bereit sein. Und da sei sie heute noch nicht.

Die Rolle des Vereins hier ist leider auch typisch, wodurch aus dem Fall Eide der Fall Stabæk wird. Still halten, aussitzen, hoffentlich ist der Sturm bald vorbei. Das Opfer soll verschwinden, bekommt keinen neuen Vertrag. Was die Mannschaft wohl zu einem solch charakterlosen Haufen Funktionäre sagt? Gar nichts? Gibt es einen Maulkorb für Spielerinnen? Oder kümmern die sich nicht, weil nur der Erfolg zählt und Eide hat ja das Double geholt?

Fünf Tage nach dem Blogpost von Lisa Marie Woods schaffte es der norwegische Meister ein kurzes Statement abzugeben. „Kein Kommentar.“ Dabei wurde erst im Herbst 2012 ein Juniorentrainer Stabæks zu sieben Monaten Haft verurteilt, weil er drei Jungs sexuell belästigt hatte.

Diesem Verein darf eigentlich niemand mehr seine Kinder anvertrauen. Man hat nichts gelernt.

Gesagt hat der Beschuldigte erst einmal nichts. Auch auf Anfrage von Budstikka und allen anderen norwegischen Medien.

Heute aber wurde der Druck wohl doch zu groß. Øyvind Eide äußerte sich. Ausgerechnet in der Zeitung, in der er schon als halberotisches Model zu sehen war und ist, VG (= Verdens gang; etwa: Der Lauf der Welt).

Er bedauere den Umgangston, den er mit einer seiner Spielerinnen an den Tag gelegt habe, so Eide. VG schreibt, dass man den Trainer gestern Abend im Schneetreiben getroffen habe, an seiner Seite seien drei Vertreter des Vereins gewesen (die ihn dann wohl gezwungen haben sich zu äußern?!`). Man habe ihm angemerkt, dass er von der Sache tief betroffen sei, er habe müde und kaputt ausgesehen.

Jetzt räumt er Fehler und unpassendes Verhalten ein: „Das war während 2-3 Monaten im Herbst 2012. Ich war fasziniert von einer Spielerin und wir waren vielleicht 3-4 Mal zusammen aus. Während dieser Zeit gab es einen flirtenden Jargon und es gab einen SMS-Austausch, der innerhalb dieses Jargons normal war,“ so Eide gegenüber VG.

„Auch wenn sie de facto älter ist als ich, habe ich damals schlechtes Beurteilungsvermögen an den Tag gelegt in Bezug auf die Rolle in der ich war, und ich bedauere, dass sie all das auf die Art und Weise empfunden hat, in der sie es offensichtlich getan hat,“ so Eide weiter.

Larsen Kaurin ist acht Monate älter als Eide. Und seine Äußerungen klingen auswendig gelernt und die anwesenden Vereinsvorsitzenden haben sie sicher vorher schon mit einem Anwalt abgesprochen. Zumal er jetzt trainerväterlich-scheinheilig sagt: „Es ist natürlich sehr schade, dass sie solche Gefühle hatte. Ich hätte mir gewünscht, dass wir darüber einen Dialog hätten führen können, aber ich habe sie mit meiner Hinwendung nicht erreicht,“ so Eide in Begleitung des Trios. Das Wort Hinwendung hätte er sich sparen können, es kommt sehr doppeldeutig daher.

Aber typischerweise versucht man das Opfer jetzt als ‚Sensibelchen‘ zu diskreditieren, dass alles viel zu sehr ernst genommen habe und dass sich doch mal in einem Vieraugengespräch (nackt, Herr Eide?) hätte artikulieren können.

„Dass sie keinen neuen Vertrag bekommen hat, hat ausschließlich sportliche Gründe,“ so Eide. Er habe nun einmal vier Nationalspielerinnen, die alle jünger seien und Larsen Kaurins Position spielen könnten. „Attraktive Spielerinnen, die damals und jetzt verfügbar waren,“ so Eide und die Doppeldeutigkeit sprüht nur so, aber das mag an der Übersetzung liegen, tatsächlich aber verwendet Eide sowohl das Wort „attraktive“ wie auch „tillgenglig“ (= verfügbar).

Die Geschenkkarte mit dem Gutschein für eine erotische Massage mit Happy End, so Eide, habe er ihr tatsächlich gegeben, aber das sei doch ein Scherz gewesen. Ein Scherz!! Den muss ich mir merken und auch mal benutzen, wenn ich mich alleine mit einer Bekannten in einem Restaurant treffe und ihr durch die Kellnerin rote Rosen überreichen lasse… Jede Frau wird doch schallend lachen über solch kreative Scherze. Ist das norwegischer Humor?

Larsen Kaurin habe ihm übrigens an jenem Abend selber auch ein Geschenk gegeben, als sie gemeinsam das Pizzarestaurant verlassen hätten, so Eide weiter. Und was die leichtbekleideten Bilder in der Zeitung VG angehe, so habe er diese 2004 gemacht und der gesamten Mannschaft gezeigt, da er der Meinung war, dass dies besser sei, als dass es Spielerinnen zufällig herausgefunden hätten, dass er solche Bilder dereinst von sich machen ließ.

Die anwesenden Vorstandsmitglieder räumten im Gespräch mit VG ein, dass Eide tatsächlich einige unkluge Dinge getan habe in jenem Herbst 2012, dass es sich dabei aber keinesfalls um sexuelle Belästigungen gehandelt habe. Der Vorstandsvorsitzende Stabæks, Espen Moe: „Wir hatten ein sehr gutes Treffen mit Leni und sind die Angelegenheit im Detail durchgegangen. Sie hat bei unserem Treffen bestätigt, dass sexuelle Belästigung ein zu starkes Wort wäre, dass es sich mehr um Belästigung gehandelt habe,“ so Moe gegenüber VG.

Leni hat diese angebliche Äußerung gegenüber VG jedoch dementiert.

Stabæk kommuniziert nun also, dass es diese Sache ernst nehme, dass man Respekt für Kaurin habe. Eides Stellung im Verein jedoch ist offenbar ungebrochen.

„Sie müssen die Spielerinnen fragen, aber ich habe das Gefühl, dass ich ihre Unterstützung habe,“ so Øyvind Eide abschließend im Gespräch mit VG.

Und so wird dieser Fall enden, wie es leider zu erwarten war. Der Trainer hat sich ein bisserl blöd verhalten. Und die Frau hat allen Respekt verdient, Frauen fühlen ja nunmal anders als Männer. Irgendwie komisch halt. War doch ein guter Witz mit der erotischen Massage! Und wenn der Trainer sagt, wackel nicht so mit dem Hintern, ich kann mich ja gar nicht konzentrieren, dann muss sich die Spielerin umdrehen und ihn halb amüsiert, halb erotisch hingebungsvoll anschauen. Nee, nee. Allen Respekt verdient, aber immer so empfindlich diese Frauen. Unser Trainer macht weiter, hat doch Erfolg. Und attraktive und verfügbare Spielerinnen gibts auch noch…

Ich wünsche Leni Larsen Kaurin, die ich letzten Sommer kennen gelernt habe, als eine sympathische und bestens trainierte Athletin, dass sie sich erholt von dieser Angelegenheit und dass sie noch ein Jahr dran hängt im Fußball. Nicht unbedingt vielleicht in Norwegen. Ich wünsche mir ein bisschen mehr Zivilcourage von den älteren Spielerinnen von Stabæk, auch weibliche Solidarität, das sie dem Verein sagen, was sie von all dem halten und dass sie sich andere Chefs wünschen als einen halbseidenen Trainer, der angeblich 16-Jährige Spielerinnen entjungfert (ist diese Geschichte jetzt eigentlich ganz vom Tisch?) und anderen erotische Massagen mit Happy-Ending (Was ist das eigentlich? Orgasmus-Garantie?) als Scherz anbietet.

Die stümperhaften Erklärungsversuche im Stabæker Schneetreiben gestern Abend jedenfalls taugen nicht dazu, das zu erreichen, was Stabæk am liebsten will: Weg mit Larsen Kaurin in die Vergessenheit und alles unter den Teppich kehren. Nein, dies ist die mit Abstand schmutzigste und widerlichste Geschichte, die mir bislang im Frauenfußball untergekommen ist.

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PS: Nun haben sich heute auch Stabæks Spielerinnen zu Wort gemeldet. In einer Presseerklärung, unterschrieben vom Spielerinnenrat: Hjelmseth, Rønning, Stensland und Cathrine Dekkerhus.

Die Erklärung im Wortlaut:

„Zuerst ist dies eine schlimme Sache für alle Seiten.

Wir von Stabæk Fußball Frauen sind eine verantwortungsbewusste und erwachsene Spielerinnengruppe und wären selbstverständlich eingeschritten, wenn wir der Auffassung gewesen wären, dass jemand aus der Mannschaft oder jemand anders im Club sexueller Belästigung ausgesetzt gewesen sei.

Wir sind uns einig darin, dass es von Øyvind unpassend war, im Herbst 2012 eine unglückliche Beziehung mit einer unserer Spielerinnen einzuleiten und dies hat er auch vor uns bedauert. Øyvind war Verdächtigungen und Anklagen ausgesetzt, die weit außerhalb der Proportionen dessen liegen, was er tatsächlich getan hat.

Er und unsere sportlichen Leiter haben unsere volle Unterstützung und wir stehen hinter ihren sportlichen Beschlüssen und Entscheidungen.

Jetzt freuen wir uns mit der Saison 2014 in Gang zu kommen, in der viele Herausforderungen auf uns warten.“

Ingvild Stensland, Ingrid Hjelmseth, Trine Rønning, Cathrine Dekkerhus (Spielerrat)

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Übrigens müssen die vier Spielerinnen ihre Presseerklärung in La Manga (Spanien) verfasst haben, denn alle befinden sich schon die ganze Woche mit der norwegischen Nationalmannschaft dort.

Ja, da wird Leni Larsen Kaurin schon nicht einmal mehr namentlich genannt. Der Spielerinnenrat spricht von einem Verhältnis (?), was dann auf Gegenseitigkeit beruht hätte. Ansonsten liest sich der Text so, als sei er von denselben Strategen geschrieben worden, die einige Stunden zuvor noch das Interview Eides gesteuert haben, in der er ja noch die Unterstützung der Spielerinnen erhofft. Jetzt ist sie da. Anders war das auch kaum zu erwarten. Rückgrat wird nicht häufig trainiert. Aber das eigene Wohlergehen ist einem dann doch wichtiger. Und man will noch mal Meister werden und Champions League spielen. Denn man weiß, es gibt „attraktive“ junge Spielerinnen, die „verfügbar“ sind, vielleicht ja sogar gefügig. Da kann man schnell draußen sein. Volles Vertrauen.

6 Gedanken zu „Der Fall Stabæk

  1. Ich befürchte, daß sich nichts ändern wird. Ob es sich um eine ’normale‘ Belästigung oder um eine sexuelle Belästigung handelt, können wohl nur Juristen beurteilen. Das die Spielerin Anzeige erstattet, kann ich mir nicht vorstellen, vielleicht(hoffentlich) irre ich mich, Sollte die Justiz nicht eingreifen, wird wohl alles wie bisher weiter gehen.
    Es wird bestimmt wieder Spielerinnen geben bei diesen Klub unterschreiben, evt. wird der Trainer beim nächsten Mal geschickter vorgehen. Die Sache mit dem Gutschein (Beweismittel !!) war wirklich dumm.

    • „Ob es sich um eine ‘normale’ Belästigung oder um eine sexuelle Belästigung handelt, können wohl nur Juristen beurteilen.“

      Ich bin echt schockiert, @Thomas! Denken Männer wirklich so? Dann wäre das ja geradezu eine Erklärung dafür, warum Øyvind Eide kein echtes Unrechtsbewusstsein an den Tag legt und weit entfernt davon ist, ein Fehlverhalten einzugestehen.

      • Ich habe Thomas so verstanden, dass er auf einen möglichen juristischen Unterschied zwischen Belästigung und sexueller Belästigung abzielte und dass das wohl schwer zu beweisen sein könnte?

  2. Danke für diese engagierte und emotionale Zusammenfassung des Geschehens! Ich finde das Ganze einfach nur widerlich, einschließlich der Stellungnahme des Vereins. Fürchte auch, dass der Trainer das nächste Mal geschickter vorgeht – sich vielleicht auch eine jüngere Spielerin vornimmt, die noch weniger Selbstbewusstsein hat – und keine Beweismittel hinterlässt.

    Ich bin insbesondere von der Stellungnahme des Spielerinnenrats schockiert. Es zeigt doch, dass Kaurin ganz recht getan hat, sich niemandem anzuvertrauen: Sie konnte nicht auf Solidarität hoffen. Letztlich laufen die Reaktionen vieler Frauen einem Opfer gegenüber so ab: man bekommt Angst, dass es einem auch mal so gehen könnte. Diese Angst versucht man abzumildern, indem man sich sagt, das würde mir ja niiie passieren. Die andere Frau hat sich halt falsch verhalten – selbst schuld. Und gleich fühlt man sich besser!

    Die Differenzierung Belästigung – sexuelle Belästigung finde ich einerseits Quatsch, weil nichtsexuelle Belästigung wie Stalking usw. genauso belastend sein können. Andererseits handelt es sich hier doch recht eindeutig um sexuelle Belästigung.

    • Heute wurde klar, dass die Spielerinnen einen „Maulkorb“ bekommen haben, denn als Melissa Wiik nach dem gestrigen Training von Journalisten angesprochen wurde, sagte sie eben nichts und verwies auf den Maulkorb und benutzte tatsächlich auch dieses Wort.
      Ein unglaublicher Verein ist das. Wo eine Herrenriege alles vertuscht, die Spielerinnen mitmachen, denn dass Hjelmseth, Stensland und Rønning Angst davor haben müssten, nicht mehr spielen zu dürfen, wenn sie etwas sagen, kann ich mir nicht vorstellen. Das sind gestandene Nationalspielerinnen über 30 und selbstbewusste Frauen und gerade deshalb verstört mich auch ihre Reaktion in der Pressemitteilung. Das Thema ist sehr wichtig und ich verfolge die Geschichte auch weiter, vielleicht gibts auch noch ein exklusives Interview mit Leni in ein paar Wochen, ich möchte das jetzt sehr gern machen, aber eigentlich erst, wenn man Schlüsse ziehen kann.
      Mich wundert, dass so wenig berichtet wird. In Schweden, in Deutschland. Wenn die Studie der norwegischen Professorin Jorunn Borgen stimmt, dann kommt so etwas in der einen oder anderen Form häufig vor.

      • So selbstbewusst dann wahrscheinlich doch nicht. Leider passiert auch in den Ländern, wo die Emanzipation scheinbar fortgeschritten ist, noch viel hinter den Kulissen. Und es gibt ja auch wieder verstärkt die „Umkehrtendenz“, den Backlash. Keine von den Spielerinnen möchte wahrscheinlich als überempfindlich, als Emanze oder als Spielverderberin wahrgenommen und abgestempelt werden.

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