England ein Desaster

Vor vier Jahren hatte England noch im Finale von Helsinki gestanden. 2:6 gegen ein anderes, stärkeres Deutschland verloren, dass mit Birgit Prinz, Inka Grings, Kerstin Garefrekes noch wesentlich dominanter sein konnte als dass in Schweden der Fall war.

Vor dem Turnier gab es die verhagelte Generalprobe. Zwar ging man durch einen gut herausgespielten Treffer von Ellen White in Führung, danach aber zerpflückten Pia Sundhages Schwedinnen England nach Belieben. Hope Powell, seit 15 Jahren im Amt, meinte, dass man aus diesem Spiel keine Schlussfolgerungen ziehen sollte. Beim Turnier, das eine Woche später begann, würde man ein anderes England sehen.

Man sah ein England, das gegen Spanien (2:3) und Frankreich (0:3) verlor und dass gegen Russland mit Müh und Not ein 1:1 schaffte, als der schwer angeschlagene Superstar Kelly Smith in der 94. Minute der jungen Toni Duggan vom FC Everton den Ausgleich auflegte.

England als Gruppenletzter ausgeschieden mit einem Gnadenpünktchen.

Und das wo daheim viel über die seit langem ersehnte Veredelung der Liga, der FA WSL (Women’s Super League) geredet wird.

Dabei sind die Engländerinnen oft nicht mal Halbprofis. Eni Aluko etwa arbeitet ganztags als Anwältin und trainiert nur dreimal die Woche mit den Chelsea Ladies. Deren Trainerin Emma Hayes sagte mir, dass die englische Liga in fünf Jahren die beste der Welt sein werde.

Kaum eine Engländerin präsentierte sich in Normalform. Karen Bardsley zeigte gegen Spanien warum sie während ihrer Zeit in Linköping fast nie spielen durfte, die bei Olympia noch überragende Steph Houghton war nur ein Schatten ihrer selbat.

Was sagt man in England, wo die BBC immerhin brav alles zeigte, als das Team schon längst daheim war? Sind die Tage von Hope Powell gezählt, die Göteborgs Torschützenkönigin Jodie Taylor etwa nicht mit in den Kader nahm?

Powell klammert sich an ihren Sessel, will weiter machen als sei nichts geschehen, aber es rumort im Gebälk auf der Insel. In wenigen Wochen will der englische Fußballverband, die mächtige FA erstmals eine Chefposition für die Entwicklung des Frauenfußballs als Leistungssport benennen. Manche glauben, dass Powell diesen Job bekommen könnte, um sie als Trainerin loszuwerden.

Mögliche Nachfolger könnten Kanadas englischer Trainer John Herdman (der aber vermutlich nicht zu haben sein dürfte) oder Maureen „Mo“ Marley sein, die derzeit die U19 betreut.

Schlüssel aber für Verbesserungen ist die längst überfällige strukturelle Aufrüstung im englischen Frauenfußball. Kelly Smith trainierte nur zweimal die Woche mit Arsenal, ihre Rehabzeiten absolvierte sie andernorts, weil die Arsenal Ladies keinen Zugang zu einem Physiotherapeuten haben.

„Wir müssen einfach Vollzeit trainieren,“ sagt Casey Stoney. „Es ist doch kein Zufall, dass die französischen Spielerinnen zweimal pro Tag trainieren und wir zweimal pro Woche,“ sagte Englands Kapitänin. „Hoffentlich werden einige Teams in der Super League nächstes Jahr auf Vollzeit gehen. Das ist von fundamentaler Wichtigkeit, um den Frauenfußball voranzubringen. Auf internationalem Niveau musst du heute Profi sein, und was immer wir tun müssen, um dahin zu kommen, wir müssen es tun.“

So ist es am Ende wohl weniger die Trainerin schuld als vielmehr die im englischen Frauenfußball noch geradezu antiken Strukturen, die in den führenden Ländern längst Geschichte sind. Viel zu tun und vielleicht gilt ja immer noch was Kelly Smith in ihrer Autobiografie schrieb: Wenn du dich weiterentwickeln willst als Engländerin, musst du leider ins Ausland gehen.