Christen Press ist „lagom“


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Christen Press in Tyresö, aber hier letztes Jahr im Trikot von Kopparberg/Göteborgs FC

Sie war die mit Abstand erfolgreichste Torschützin in Schweden und holte sich mit 23 (24) Toren den goldenen adidas-Schuh auf der Fußballgala am Montag ab. In der Champions-League schoss sie vier von vier Toren für Tyresö FF auf dem Weg ins Viertelfinale und in der besten Nationalmannschaft der Welt, dem USWNT, debütierte sie 2013, machte elf Spiele und weitere sieben Tore.

Die Rede ist von Christen Annemarie Press, geboren in Los Angeles, studiert an der renommierten Stanford University, wo sie für die Stanford Cardinals spielte und mit 71 Toren deren beste Torschützin aller Zeiten ist. Stanfords Studenten haben mehr Goldmedaillen bei olympischen Spielen gewonnen als etwa Norwegen, Südkorea, Kanada oder die Niederlande.

Morgen Abend spielt Tyresö um den Einzug ins Viertelfinale und dürfte sehr gute Aussichten haben nach dem 2:1 in Hjørring vom letzten Samstag. Letzte Woche habe ich mich mit Christen Press unterhalten.

Wie siehst du deine Saison 2013 im Rückblick mit sehr vielen Toren?

„Naja, 2013 war schon ein ständiges Auf und Ab, denn mir fällt es schwer, meine eigene Saison von der meiner Mannschaft zu trennen. Meine Mannschaft hat mir so unglaublich viel dabei geholfen, mich weiterzuentwickeln, dass ich jeden Erfolg ihr zu verdanken habe.“

Falsche Frage also, denn Christen schaltet bei solchen Fragen auf Autopilot und stellt sich dann sofort unter die Mannschaft und schreibt dem Team jeden individuellen Erfolg zu. Das machen einige und manchmal nervt das, auch wenn Fußball natürlich ein Mannschaftssport ist. Die Spielerinnen werden aber gedrillt so zu antworten oder tun das aus einem selbst antrainierten inneren Bedürfnis heraus, um ja nicht als individualistisch zu gelten.

Aber sich über die eigene Leistung zu freuen muss doch nicht gleich bedeuten, dass man keine Mannschaftsspielerin ist. 2013 war nun mal für Press wesentlich erfolgreicher als für Tyresö. Sie darf aber nicht sagen: ‚Für mich ist das supergut gelaufen, leider nicht ganz so gut für mein Team.‘

Nächste Frage: Du spielst jetzt seit fast zwei Jahren in Schweden, lebst in Europa. Wenn du mal wieder zurück in die USA gehst, was hat dir diese Zeit persönlich gebracht, vom Fußball mal abgesehen?

„Nach Schweden zu ziehen, war sehr positiv für mich, nicht nur rein professionell, sondern auch für mich als Person. In einer anderen Kultur zu leben, aus meiner Blase herauszukommen, wie wir bei uns in Amerika sagen, hat mir wertvolle Lektionen gebracht. Mehr als 5.000 km entfernt von der Heimat zu wohnen, hat mir dabei geholfen, mehr darüber herauszufinden, wer ich bin. Ich bin selbständiger geworden, habe neue Interessen entdeckt und viele neue Freunde gewonnen. Ich glaube, dass eine der besten Sachen, die ich mitnehmen werde, das Wort „lagom“ ist. (Das beschreibt ein Mittelding, das die schwedische Gesellschaft definiert. Nicht schwarz, nicht weiss, nicht heiss, nicht kalt, eben gerade richtig; „lagom“; rf). Oder das Gleichgewicht im Leben. Ich kann dir sagen, dass es davon leider nicht so viel in Los Angeles gibt.“

Du hast dieses Jahr unter Tom Sermanni in der amerikanischen Nationalelf debütiert, hattest Riesenerfolg und Ende Oktober hast du in San Francisco gegen Neuseeland gespielt. In deinem Heimatstaat Kalifornien und erstmals auch von Beginn an zusammen mit Abby Wambach, Wie war das?

„Ich glaube, dass ich noch nie so ausgelassen und glücklich vor einem Spiel mit der Nationalmannschaft war wie vor diesem in San Francisco, So viele Verwandte von mir waren da, von meiner 5 Jahre alten Cousine bis hin zu meinen 80-Jährigen Großeltern. Eine der tollsten Sachen mit dem Sport ist, dass ich meine Freude mit den Menschen teilen kann, die ich liebe. Da ich seit zwei Jahren in Schweden spiele ist das schwerer geworden und gerade deshalb war das in San Francisco ein besonderer Tag für mich. Naja, und naturlich ist es eine Ehre, zusammen mit Abby spielen zu dürfen. Von ihr kann ich unendlich viel lernen.“

Du hast in den USA meinem Kollegen Jeff Kassouf von EqualizerSoccer ein Interview gegeben, da klang es so, dass du 2014 auf jeden Fall NWSL spielen wirst, aber vielleicht nicht von Beginn an. Heißt das, dass wir dich verlieren werden?

„Noch ist nichts entschieden. Ich weiß nie so genau, wo ich lande, bis ich schließlich da bin. Ich würde liebend gerne und ich meine das, liebend gerne eine weitere Saison in Schweden spielen, aber ich weiß nicht, ob mich mein Weg für die ganze Saison 2014 zurückbringen wird.“

Das heißt dann wohl, dass es Kräfte in der NWSL und bei US Soccer gibt, die an Christen Press und anderen Amerikanerinnen in Europa ziehen. Und dass die Entscheidung darüber, ob Press Tyresö für eine komplette Saison zur Verfügung stehen darf, nicht von der 24-Jährigen allein getroffen werden kann. Sollte Tyresö sie abgeben müssen, nach einem eventuellen Ausscheiden in der Champions League, wäre das ein fast unersetzbarer Verlust.

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