Zurück aus Holland

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Österreichs Jubel nach dem entscheidenden Elfer von Sarah Puntigam gegen Spanien

Acht Tage habe ich in Rotterdam verbracht und von dort aus Spiele der EURO 2017 in Breda, Tilburg und Utrecht besucht. Und auch das „historische“ Viertelfinale der deutschen Mannschaft gegen Dänemark in Rotterdam.

Dominik Thalhammer hat am Tag nach dem Sieg seiner Österreicherinnen über Spanien gesagt: „Es ist der 31. Juli, Deutschland, Frankreich und Spanien packen die Koffer und wir bleiben hier.“

Ich würde noch Schweden ergänzen.

Drei Frauenfußballdinosaurier fuhren nach Hause und auch die mit viel Vorschusslorbeeren angereisten Spanierinnen konnten nur gegen Portugal zwei Tore in der ersten Halbzeit machen. Danach kam nichts mehr.

Wachablösung im Frauenfußball?

Schweden kam mit einer Trainerin, die in ihrem Berufsleben unheimlich viel für den Frauenfußball getan hat. Als Spielerin, als Trainerin und nicht zuletzt auch als Persönlichkeit. Pia Sundhage verkörpert heute noch für viele die Ideale des Frauenfußballs. Sie musste sich noch als Junge ausgeben, um Fußball spielen zu dürfen, sie gab nie auf, sie wurde Europameisterin 1984 (schoss den entscheidenden Elfmeter gegen England) und sie sagte vor gar nicht so langer Zeit, dass Frauen es niemals als selbstverständlich ansehen sollten, dass sie Fußball spielen. Denn wenn man sich zurücklehnen würde, käme jemand daher und würde die Errungenschaften wieder streichen. Das ist im Grunde nicht ganz abwegig, aber es verkennt dennoch die Weiterentwicklung des Sports und vieler Gesellschaften.

Frauenfußball ist nicht mehr abzuschaffen. Es gibt in den Internetforen in Deutschland, in Schweden und anderswo immer noch ewig Gestrige, die wollen, dass man den Frauenfußball abschafft. Aber leider wird es rechtsgerichtete und frauenfeindliche Dumpfbacken immer geben. In der breiten Gesellschaft ist der Sport jedoch längst angekommen und er enwtickelt sich weiter. Was nicht heißt, dass er zumindest zu unseren Lebzeiten niemals so groß sein wird wie der übermächtige Männerfußball in dem heute davon die Rede ist, dass PSG bis zu 500 Millionen € Ablöse für Neymar hinzublättern bereit ist.

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Lisa Dahlkvist (30) – macht Schweden jetzt den Generationswechsel?

Pia Sundhage hat große Verdienste, als Trainerin hat sie Schweden nicht weitergebracht und wenn wir ehrlich sind, auch die USA nicht. Die beiden Olympiasiege mit den Amerikanerinnen 2008 und 2012 sind natürlich großartig für den Lebenslauf, aber mit der US-Mannschaft konnte nicht viel schiefgehen und auch dort bereits hat Sundhage vor allem die alteingesessenen,. arrivierten Spielerinnen gefördert und immer spielen lassen. Christen Press kam erst nach dem Abgang Sundhages beim glücklosen Tom Sermanni zum Zuge und hat seitdem in 88 Spielen 43 Tore geschossen. Keine schlechte Quote.

Pia Sundhage hat in Schweden den notwenigen Generationswechsel nicht einmal begonnen. Die zentrale Linie mit Hedvig Lindahl (34), Nilla Fischer (33), Caroline Seger (32) und Lotta Schelin (33) ist in die Jahre gekommen und macht dennoch das Führungszentrum im schwedischen Fußball aus. An den Alten, zu denen sicher auch Lisa Dahlkvist (30) und Linda Sembrant (30) gehören, muss man vorbeikommen, wenn man einen dauerhaften Platz im Kader erreichen will.

Pausenclown Olivia Schough hat bis zum Ende der Gruppenphase spielen dürfen, obwohl sie sportlich nun wirklich nicht ins Team gehört. Nicht nur ihre missglückten Ecken gegen Deutschland sondern auch ihre fehlende Technik bei der Ballannahme und ihre zahlreichen Fehlpässe  dokumentieren, dass die wohl vor allem mitgenommen wurde und zur Lieblingsspielerin Pia Sundhages avancierte, weil sie durch ihre gute Laune und ihre wirklich sehr sympathische Art weite Teile des Teams bei Laune hielt.

Aber so kann man keine Mannschaft bauen, die um einen Titel spielen soll.

Erst im letzten Spiel gegen die Niederlande liess Sundhage das Stürmerduo Fridolina Rolfö und Stina Blackstenius auflaufen, dass sich schon aus den Zeiten in Linköping kennt. Nun ist die eine in München und die andere in Montpellier (wo sie angeblich weg möchte), aber sie ergänzen sich nach wie vor gut. Gegen Holland musste „L8“ wie Schelin von ihren Fans geschrieben wird, dann zurück ins Mittelfeld und da gelang ihr nicht viel.

Überhaupt das Mittelfeld. Da war Kosovare Asllani noch die Beste, obwohl sie sich nachher wie ein kleines Kind über Schiedsrichterin Bibiane Steinhaus beschwerte, sogar noch am Tag nach dem Spiel. Steinhaus habe dem Druck des Publikums nicht standgehalten.

Wahr jedoch ist, dass der schwedischen Mannschaft durch ein jüngeres, technisch versierteres und schnelleres Team die Grenzen aufgezeigt wurden.

Schwedens neuer Coach Peter Gerhardsson hat keine leichte Aufgabe. Er muss das neue Schweden bauen, denn Sundhage hat wohlwissend, dass ihr Vertrag ausläuft wenig für die nähere Zukunft der schwedischen Nationalmannschaft getan. Gerhardsson muss aufräumen, muss Spielerinnen allmählich ersetzen. Bereits Ende Oktober wartet Dänemark in der WM-Qualifikation. Diese Gruppe wird man nicht so selbstverständlich gewinnen wie in all den Jahren zuvor Qualifikationen Spaziergänge waren.

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Theresa Nielsen hat in der 83. Minute das 2:1 für Dänemark geköpft und das Spiel gegen den haushohen Favoriten Deutschland gedreht

Deutschland. Soll Steffi Jones zurücktreten, gefeuert werden?

Ich habe auf Twitter Ariane Hingst geantwortet, dass es vielleicht gut sei, dass Deutschland verloren hat. Sie fragte zurück, wie das denn bitte schön gut sein könne und da sie nah dran ist und selber mal drin war im Team, verstehe ich das gut.

Aber ich bleibe dabei, dass es gut war. Gut für den Frauenfußball international, wo alle anderen Nationen aufatmen und sich freuen, dass endlich mal jemand anderes gewinnen wird. Gut aber auch für Deutschland.

Silvia Neid hat großartige Erfolge eingefahren und ihre Fußstapfen sind groß, der Erwartungsdruck war enorm.

Dabei hat Neid nach 2009 eigentlich schon einer Mannschaft vorgestanden, die sich spielerisch nicht mehr weiterentwickelte. 2009 besiegte man England in einem fulminanten EM-Finale mit 6:2. Irgendwann ging Kelly Smith, Eni Aluko und all den anderen die Puste aus und Inka Grings und Birgit Prinz powerten einfach weiter. Die Zeiten änderten sich.

2011 gab es eine eher klägliche WM nach extremen Erwartungen. Der dritte WM-Titel war selbstverständlich, sowieso im eigenen Land. Dritte Plätze waren nur etwas für Männer. Und man wollte 2011 von seiner schönsten Seite zeigen. Alles furchtbare Aussagen, die den  Verantwortlichen im Halse steckenblieben, als Karina Maruyama in der 108. Minute den Ball an Nadine Angerer vorbeispitzelte. Aus und vorbei das zweite Sommermärchen. Silvia Neid hatte grosse Fehler gemacht und ihr Team verunsichert, nicht zuletzt als sie ihrer Kapitänin Birgit Prinz das Vertrauen entzog und sie auf die Bank setzte.

2013 war dann alles wieder gut. War es? In Schweden holte sich Deutschland den sechsten EM-Titel in Folge. Am Ende zählen in der Geschichte nur die Titel und niemand fragt, wie sie zustande gekommen sind. Irgendwann sind dann auch die Zeitzeugen nicht mehr da oder erinnern sich nur noch dunkel und dann steht da eine Goldmedaille in der Liste.

Deutschland spielte Unentschieden (0:0) gegen die Niederland, schlug Island mit 3:0 und verlor gegen Norwegen mit 0:1. In allen drei darauffolgenden Spielen gab es 1:0-Siege nach eher mäßigem Spiel, im Finale waren die Norwegerinnen nicht in der Lage auch nur einen von zwei Elfmetern zu verwandeln. Trine Rønning und Solveig Gulbrandsen scheiterten nicht nur an Nadine Angerer, sie machten es der Keeperin mit sehr schlecht geschossenen Strafstößen auch leicht. Aber beim Fußball gibt es keine B-Note. Nur das Ergebnis zählt. Ende gut, alles gut.

Weiter nach Kanada 2015. Endstation Halbfinale als die USA einfach zu stark war und zum ersten Mal Niederlage gegen eine englische Mannschaft, die auch deutlich besser war als Deutschland. Dennoch war selbst der vierte Platz wieder akzeptabel und es gab erneut keinen Grund für Änderungen.

In Rio dann setzte Silvia Neid den Schlusspunkt einer unglaublichgen Erfolgsserie als Trainerin. Der erste Olympiassieg und der Aufstieg in den Olymp. Gottlob gibt es die schon erwähnte B-Note nicht und du musst gegen die Teams gewinnen, gegen die du spielen musst. Und wenn dir jemand anders die USA, Frankreich und Brasilien aus dem Weg räumt, was willst du machen? Die Leistung der deutschen Mannschaft war nicht überragend, man rumpelte gegen Australien (2:2) gerade noch zu einem Unentschieden, verlor gegen Kanada. Da spielten die deutschen Männer (den Vergleich hat der DFB-Frauenfußball vorher ins Spiel gebracht „Dritte Plätze sind nur was für Männer“) beim 7:1 gegen Gastgeber Brasilien zwei Jahre vorher schon anders auf. Gold gegen Lieblingsgegner Schweden am Ende. Glänzend.

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Dänemarks Coach Niels Nielsen: „Wir sind erst in 3-4 Jahren da, wo wir spielerisch hinwollen.“

Und dann kam Steffi Jones. Und Steffi ist nicht Silv. Wo vorher einige Spielerinnen fehlende Nestwärme beklagten gab es jetzt eine soziale Revolution mit einer Trainerin, die noch nie eine Mannschaft veranwortlich trainiert hatte, die aber als Persönlichkeit herausragend im internationalen Frauenfußball war und ist.

Man musste nicht mehr sitzenbleiben bis die Letzte fertig gegessen hatte, man durfte jetzt auch zu einer Pressekonferenz mit offenen Haaren kommen. Und nach schlechten Spielen gab die Trainerin nicht mehr die Enttäuschung über die Leistung ihrer Mannschaft kund, sondern übernahm selber Verantwortung.

Vielleicht ist Steffi zu nett für den Trainerjob? Vielleicht hat sie ihr nicht junges Team überschätzt? Sie billigte den Spielerinnen sehr viel Eigenverantwortung zu, ging von erwachsenen, selbstbewussten Individuen aus. Aber in den vier Spielen in den Niederlanden ging wenig zusammen. Fünf Tore. Drei Elfmeter und zwei eklatante Torwartfehler. Ansonsten versiebten Anja Mittag, Mandy Islacker und Co.

Die vielen Wechsel sahen auf dem Papier demokratisch aus. Denn alle 20 Feldspielerinnen kamen zum Einsatz. Aber sie schafften Unsicherheit. Ein so kompliziertes Gebilde wie eine Abwehr darf man nicht ständigen Umstellungen aussetzen.

Und mir gefiel auch nicht Steffi Jones‘ Körpersprache an der Seitenlinie. Da war zu viel Mitleiden, zu viel Mitfreuen und ein bisschen zu wenig Distanz. Ich glaube, dass man am Spielfeldrand (wo ich ja noch nie gestanden habe, also wer bin ich schon, das zu sagen…) eine Rolle zu spielen hat. Stärke und Sicherheit dann ausstrahlen muss, wenn man sieht, dass die Mannschaft das nicht empfindet. Und man muss vermutlich auch zumindest einmal so tun, als ob man sauer ist, wenn etwas weniger gut läuft.

Der dänische Trainer Niels Nielsen sagte nach dem Spiel zu mir, dass man vor dem Spiel darüber gesprochen hatte, dass die Deutschen eventuell in Führung gegen. Die sind sehr gut nach vorne, also das kann passieren, sagte er seinem Team. Leider sei es schnell passiert, danach aber gar nicht gut gelaufen. Er hätte vom Team erwartet, dass dann seine Führungsspielerinnen das schlechte Spiel stoppen und umdrehen. Und genau das hätten Pernille Harder und Simone Boye gemacht, weshalb er sehr stolz auf sie sei.

Wo waren die deutschen Führungsspielerinnen nach dem 1:1? Nach dem 1:2? Als das Spiel kippte.

Ich bin unsagbar enttäuscht von Dzsenifer Marozsan. Jahrelang wurde mir eingeredet, dass sie die beste Spielerin der Welt sei, worauf ich immer entgegnete, dass sie zwar hochtalentiert sei, aber noch nie gezeigt hätte, dass sie die Beste ist. Am Ende nach einem tollen Olympiafinale und einer guten Saison in Lyon begann ich zu glauben, dass die EURO 2017 das Turnier Marozsans wird. Nichts da. Sie versteckte sich, sie tauchte unter, ansatzweise schlug sie ein paar gute Bälle, aber die EURO wird nicht als ihr Turnier in die Fußballgeschichte eingehen. Wieder einmal nicht.

Das Turnier bislang ist das Turnier von Jackie Groenen, Lieke Martens, Jodie Taylor und, ja – Sarah Puntigam. 

Steffi Jones hat jetzt die schwere Bürde zu tragen, aber man muss ihr die Chance geben. Wie gesagt, seit 2009 befand sich Deutschland in einer Abwärtsbewegung spielerisch gesehen, die durch fleißig erarbeitete, aber nicht zuletzt auch glückliche Erfolge nicht so öffentlich wahrgenommen wurde.

Jones muss umbauen, sie will das Klima verändern (was richtig war und ist), sie will die Spielweise verändern (was richtig war und ist) und sie will Titel gewinnen (wovon das Team weit entfernt ist). Aber bis 2019 ist Zeit.

Spieltechnisch werden mindestens drei Spielerinnen dringend gesucht: schnelle, moderne Innenverteidigerinnen und jemand, der in die Fußstapfen von Birgit Prinz, Inka Grings und Celia Sasic treten kann.

Und, ach ja, eine Führungspersönlichkeit auch auf dem Spielfeld. Jemand, der das Ruder herumreissen kann, wenn es mal nicht läuft. Da war in NL niemand in der Lage.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Alles Gute, Bernd Schröder!

Bernd Schröder im November 2011

Bernd Schröder wird 70 am heutigen Sonntag. Frauenfußball in Deutschland wird von anderen Seiten und Blogs hervorragend abgedeckt, aber zum Geburtstag des großen Mannes aus Potsdam machen wir mal eine Ausnahme.

42 Jahre schon trainiert und betreut er Turbine Potsdam. Manchmal kauzig und unbequem, aber immer ehrlich und dem Frauenfußball zugetan wie kaum ein anderer. Wenn die Geschichte stimmt, dann übernahm er damals eher widerwillig das Training der Frauenmannschaft seines Betriebs.

Inzwischen hat er Generationen von deutschen Spitzenspielerinnen hervorgebracht, alles gewonnen, was man im Fußball gewinnen kann und sich mit nahezu jedem angelegt, der seiner Meinung nach nicht ehrlich oder nur mit halbem Herzen bei der Sache war.

Zitiert wird er heute mit: „Was kann ich dafür, dass ich vor 70 Jahren an diesem Tag geboren wurde. Ich mag solche Empfänge nicht, solcher Art Personenkult ist nicht mein Ding. Ich habe das alles abgesagt“, und das ist sehr typisch für den Mann, der keine Standards trainieren soll und für den Manndeckung immer noch besser ist als Raumdeckung. Der Erfolg hat ihm immer recht gegeben.

Bei meiner einzigen Begegnung mit ihm erzählte Bernd Schröder das, was er vielen anderen im letzten Jahr auch gesagt hat. Dass die Menschheit immer nur dann vorangekommen sei, wenn es Querdenker gegeben hat, die auch mal Kritik äußerten und sich nicht darum scherten, bei manchen unbeliebt zu werden. Am häufigsten gilt diese Kritik dem 1.FFC Frankfurt, der zwölf Spielerinnen aus Potsdam geholt hat und trotzdem nicht mehr (seit 2008) deutscher Meister geworden ist. Aber auch Silvia Neid und Steffi Jones bekamen ihr Fett weg. Die Demontage der Birgit Prinz während der WM 2011 durch die Trainerin kreidete Schröder ihr an, man setze nicht seine Kapitänin mitten in einem Turnier auf die Bank, das bringe das ganze Gefüge durcheinander. Und Recht hatte er. Der Kauz aus Potsdam, dem Feiern zuwider ist. Ende August will er mit der Mannschaft ein Gläschen trinken, hat er verlauten lassen, dann kommt auch sein Freund Theo Zwanziger und Brandenburgs Ministerpräsident Mathias Platzeck. Vielleicht macht er es dann wieder wie letztes Jahr, als er den Spielerinnen hartes Training androhte: Statt kilometerlangem Laufen, das er den Spielerinnen angedroht hatte, hatte Schröder Frühstück für sein Team gedeckt und schickte die Mädels anschließend nach Hause.

Trouble in paradise – Ärger um magicJack

Wieder mal ein Exkurs in diesem Blog. Es geht nicht um Schweden, sondern um die amerikanische Profiliga WPS. Die Dänin Johanna Rasmussen, das hat ffschweden diese Woche gemeldet, wird schon sehr bald die Fussballschuhe für Kristianstads DFF schnüren, nachdem ihr Vertrag mit magicJack aufgelöst wurde.

Wobei wir beim Thema wären. Sechs Vereine, oder sagen wir ruhig „franchises“ (Filialen) hat die Women’s Professional Soccer League in ihrer dritten Saison. Das ist nicht viel, aber im Laufe der Zeit haben sich Los Angeles Sol, St. Louis Athletics, Chicago Red Devils und FC Gold Pride schon wieder verabschiedet. Die Liga, die stets wachsen sollte, ist in ihrer dritten Saison immer noch im Zwergenstatus.

Im ersten und zweiten Jahr hatte man noch viele Ausländerinnen angeworben, die Brasilianerin Marta kam von Umeå IK und wurde zum Flaggschiff des neuen Versuchs, florierenden Profifussball in den USA aufzubauen. Die Zuschauerzahlen blieben deutlich hinter den Erwartungen zurück, die Verluste waren weitaus grösser als angenommen. Investoren zogen sich zurück, hatten sich die Finger verbrannt und wollten nicht noch mehr Geld verlieren.

Im dritten Jahr fällt auf, dass in den sechs Filialen der WPS kaum noch Europäerinnen spielen. Es heisst, dass Europäerinnen den Aufwand, den man für sie betreiben muss, nicht wert sind. Viele sind wieder zurück nach Europa gekommen. Es gibt nur noch zwei Braslianerinnen bei Western New York Flash, im ersten Jahr hatte jeder Club zwei Südamerikanerinnen.

Nach der für die USA erfolgreiche WM und der Silbermedaille, nachdem die Medien in den Staaten aufmerksam geworden waren, gab es in den ersten Spielen tolle Zuschauerzahlen, erstmals waren Begegnungen ausverkauft und die Superstars Abby Wambach und Hope Solo wollte man auf einmal live im Stadion sehen.

Das sah gut aus. Aber unter der Oberfläche gärte es und diese Woche bricht der Streit offen aus.

Eigentlich wäre der für amerikanische Verhältnisse schon fast traditionsreiche Verein Washington Freedom (hier wurden die deutschen Steffi Jones und Jennifer Meier 2003 amerikanische Meisterinnen in der WUSA) im letzten Jahr auch in Konkurs gegangen.

Dann kam ein Investor. magicJack ist ein kleines Gerät mit USB-Anschluss, dass man an seinen Computer anschliessen kann. Damit kann man dann im „Voice over IP!-Verfahren in den USA telefonieren. Erfinder und Besitzer des Unternehmens ist Dan Borislow, ein 49-Jähriger Erfinder, Pferdezüchter und mittlerweile eben auch Eigentümer oder Investor eines Frauenfussballfranchiseunternehmens der WPS. Seine Tochter Kylie spielt Fussball und sicherlich auch deshalb stieg er ein, als Washington Freedom die Puste und das Geld ausging und der Club der sich zunächst magicJack’s Washington Freedom nannte, hiess dann nur noch magicJack und die Heimspiele werden längst nicht mehr in Washington, D.C. ausgetragen, das ganze Team zog um nach Boca Raton (Florida), das ist für Dan Borislow dann auch nicht mehr so weit zu den Heimspielen.

Aber die noch junge Geschichte des „Franchises“ magicJack in der WPS ist mit viel Ärger zwischen dem Eigentümer und der Liga beladen. Bereits Mitte Mai gab es eine deutliche Stellungnahme der Liga: magicJack hatte seine ersten drei Heimspiele ausgetragen, ohne einige wesentliche Grundbedingungen, auf die sich alle Franchises vertraglich verpflichtet hatten, zu erfüllen:

  • Ligasponsorenschilder wurden nicht aufgestellt
  • es gab keine Videos von den Spielen
  • Medien hatten keinen Zugang zu den Spielerinnen nach den Matches

Anne-Marie Eileraas, Generalsekretärin der WPS, erklärte: „Als Mr Borisow Anteile an Washington Freedom erwarb, hat er eine Organisation erworben, die Verpflichtungen gegenüber der Liga und ihren Besitzern hat. Die WPS hat dem Team eine Frist gegeben, Optionen und auch Hilfe angeboten, um sicherzustellen, dass die Standards der Liga erfüllt werden. Zu unserer grossen Enttäuschung ist es dem Team nicht gelungen, diese Standards zu erfüllen und statt mit den Partnern daran zu arbeiten, diese Grundvoraussetzungen zu erfüllen, hat es Mr Borisow vorgezogen, öffentliche Äusserungen zu machen, die einen fehlenden Respekt der Wahrheit gegenüber dokumentieren und die den Interessen der Liga schaden.“

Das war schon harter Tobak. Aber Mitte Juni wurde es noch unangenehmer. Da begann nämlich die Direktion der WPS Schritte zu unternehmen, um das Franchise von magicJack mit dem Ende der Saison 2011 abzuschliessen. Borisow hat beschlossen, gegen die WPS vor Gericht zu ziehen. Eine Schlammschlacht hat begonnen, unmittelbar nachdem der Frauenfussball in den USA endlich wieder einmal grössere Aufmerksamkeit bekommen hat.

Dan Borisow ist nicht nur der Besitzer der Mannschaft, er ist auch ihr Trainer. In einer E-Mail von Jennifer Hitchon von der Gewerkschaft der Spielerinnen an die WPS-Chefin Eileraas ist die Rede von Mobbing durch den Trainer, von Drohungen gegen die Spielerinnen und vielem mehr. Seinen Spielerinnen hat er per Mail verboten, Internetdienste wie Twitter aktiv zu verwenden, was ebenfalls gegen die Statuten verstösst. Im Übrigen fehle dem Millionär auch die notwendige Trainerlizenz und die Gewerkschaft fordert die WPS auf, Borislow das Coachen des Teams aufgrund zahlreicher Verstösse gegen Regeln der WPS, aber auch der FIFA zu untersagen. Den kompletten Brief der Gewerkschaft gibt es hier.

Informationen zufolge ist Superstar Hope Solo nach der WM nicht mehr nach Boca Raton zurückgekehrt, der Club hat inzwischen die Kanadierin Karine LeBlanc verpflichtet. Solo laboriert an einer Schulterverletzung, die scheinbar in Florida nicht behandelt werden kann.