Alle gegen Pia – da bleibt sie

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Lillie (links) und Pia bleiben – gegen den Willen aller Vereine der ersten Liga

Ich verstehe es immer noch nicht. Der schwedische Fußballverband SvFF hat den Vertrag mit Pia Sundhage um ein Jahr bis 31.12.2017 verlängert. Am gleichen Tag wurde bekannt, dass alle 12 Vereine der Damallsvenskan auf einer Konferenz des EFD, des Spitzenfußballvereins des Frauenfußballs, alle 12 haben gegen eine Vertragsverlängerung gestimmt.

Da aber der Interessenverein nur eine von sieben Stimmen im SvFF hat, ging diese Abstimmung dann mit 6:1 für die Vertragsverlängerung aus.

Spielerinnen haben sich bei Olympia, aber auch in den vergangenen Wochen immer wieder für eine Vertragsverlängerung Sundhages ausgesprochen. Allerdings – wenn man mich fragt, ob ich finde, dass mein Chef gehen soll und ich weiß, dass er sehr gute Chancen hat zu bleiben, was werde ich öffentlich sagen? Er soll gehen? Das wäre beruflicher Selbstmord. Dann werde ich eben nicht mehr aufgestellt. Wenn Emma Berglund die Verdienste der Trainerin hervorhebt und dann sagt, dass sie bleiben soll, dann fällt mir auf, dass Berglund vor allem lobt, dass Sundhage den Fußball in die Zeitungen, ins Radio, ins Fernsehen bringt. Dass sie dafür sorgt, dass Frauenfußball ein Thema ist. Über die Trainerin Sundhage sagt Berglund fast gar nichts, scheints. Aber wer weiß, vielleicht hat der Kollege von Expressen das auch weggelassen.

Heute Morgen las ich, dass die Weltfußballerin des Jahres 2015, Carli Lloyd ihre Memoiren veröffentlicht hat. Unter dem Titel When Nobody Was Watching (Als niemand zusah) ist das Buch seit Montag zu haben. Darin erzählt sie, dass die Spielerinnen des amerikanischen Nationalteams in einer Telefonkonferenz 2012 entschieden, dass sie sich bei Verbandspräsident Sunil Gulati melden um ihm mitzuteilen, dass die Spielerinnen wollen, dass Pia Sundhage NICHT weitermacht, trotz zweier olympischer Goldmedaillen. Man fragt sich warum?

Der Bruch mit den schwedischen Vereinen hat viele Gründe, die meisten dürften im Verborgenen bleiben. Bekannt ist, dass die Vereine sauer sind, dass Sundhage immer wieder angeschlagene Spielerinnen eingesetzt hat, die dann in noch schlechterem Gesundheitszustand zurückkamen. Ganz aktuell Pauline Hammarlund. Bekannt ist, dass Sundhage versucht hat, Einfluss zu nehmen, dass manche Spielerinnen im Club dieselbe (andere) Position spielen sollten wie in der Nationalmannschaft. Stefan Rehn hatte damals nur gelacht, als Pia ihn aufforderte, Elin Rubensson als Abwehrspielerin einzusetzen. Die Vereine zahlen die Gehälter, das ist anders als in den USA.

Kritisch auch, dass es manche Spielerinnen gibt, an denen die Trainerin mit Vasallentreue festhält, obwohl die Leistungen einfach nicht erstklassig sind. „Kannst du mir bitte erklären, warum Olivia Schough in der Nationalmannschaft spielt?“, fragte mich einmal eine andere Nationalspielerin. Ich konnte es nicht.

Die Trainerin kann sich nicht auf ein System festlegen, sie wechselt unentwegt und probiert ständig Neues aus. Taktisch gesehen bringt es ebenfalls wenig Neues. Die Defensivtaktik bei Olympia, die am Ende die Silbermedaille brachte – nach Angaben des schwedischen Bloggers Johan Rydén ist die Taktik nicht von der Cheftrainerin gekommen, sondern von der Mannschaft, die nach dem 1:5 gegen Brasilien meuterte.

Wenn einem so der Gegenwind ins Gesicht bläst, 0:12 ist ein vernichtendes Urteil der wichtigsten Partner, dann würde ich meinen Hut nehmen. Das Trio Marika Domanski Lyfors, Pia Sundhage und Lillie Persson macht weiter. Möglicherweise auch, weil wenn eine geht, alle gehen müssten und weil es jobmässig kaum Alternativen gibt. Dass dabei die Meinung der ;Liga nichts zählt sagt mir, dass es auch im nächsten Jahr kaum eine gute Kommunikation zwischen Nationalmannschaft und Vereinen geben wird.

Noch nicht aller Tage Abend

Pia Sundhage fehlte gestern bei der Präsentation des Kaders für die Länderspiele gegen die Schweiz und Dänemark, sie hatte Fieber. Aber Assistentin Lillie Persson gab eine Reihe von aufschlussreichen Kommentaren.

Zwei Spielerinnen vermisste man in der Liste. Fridolina Rolfö und Antonia Göransson.

Lillie Persson sagte, dass beide noch eine Chance hätten: „Sie müssen gesund sein und gute Leistungen in der Damallsvenskan zeigen. Zu Rolfö: „Was ich sehen will, ist regelmäßiges Training, es kann nicht sein, dass sie 1-2 Trainingseinheiten absolviert und dann aufhört. Sie muss auch anfangen, regelmäßig zu spielen.“ Da möchte man Persson zurufen, dass man doch nur spielen kann, wenn man auch aufgestellt wird bzw. eingewechselt, was Schwedens versammelte Frauenfußballjournalisten seit Monaten fordern.

Zu Göransson: „Antonia bringt keine Leistungen auf dem Niveau, das wir von ihr erwarten. Sie muss in Vittsjö weiterarbeiten. Sie ist absolut nicht aus dem Blickfeld, sie hat ja eine Eigenschaft die wir ‚explosiv‘ nennen, aber genau dieses ‚explosiv‘ haben wir vermisst, als sie dabei war. Gleichzeitig war sie eine Zeitlang nicht dabei und das kann eine Frage des Selbstvertrauens sein.“

Kennt man Sundhage/Persson und ihren Hang zu Vertrautem und ihre Abneigung gegen spontane Entscheidungen klingt das weder für Rolfö noch für Göransson, als ob sie eine reale Chance haben. Aber wir werden sehen.

Die deutschen Fans, die Interesse am schwedischen Team haben und im Sommer nach Kanada fahren, sollten sich in Toronto aufhalten. Denn dort wird das schwedische Team Quartier machen, um dann erst zum Spiel gegen Nigeria nach Winnipeg zu reisen. Das gab Nationalmannschaftschefin Marika Domanski Lyfors gestern bekannt.

„Viele Teams werden von und nach Toronto reisen,“ sagte Domanski Lyfors gestern. „Nach der Auslosung haben wir mit anderen Teams diskutiert und viele dachten daran, etwas in Toronto zu machen, bevor sie innerhalb Kanadas weiterreisen. In der Nähe kann man Natur erleben und die Mädels mögen ja Städte. Die gehen gerne shoppen und genießen ihre Freizeit und wer tut das nicht.“

Beata Kollmats: Kreuzbandriss und andere Nachrichten

Der 22-Jährigen Innenverteidigerin Beata Kollmats (Kopparberg/Göteborgs FC) ist zum zweiten Mal in ihrer Karriere das Kreuzband gerissen. Beim 6:0 Freundschaftsspielsieg gegen Zweitligist Kungsbacka musste Kollmats mit starken Knieschmerzen den Platz verlassen, die Befürchtung bestätigte sich und damit fällt Beata für die gesamte Saison 2015 aus.

Pia Sundhages Äußerung vor gut einem Monat, dass sie wohl ihren Job verlieren werde, falls Schweden in einem WM-Viertelfinale ausscheidet, relativierte nun Sundhages Weggefährtin und Sportchefin beim schwedischen Fußballverband Marika Domanski-Lyfors in einem Interview mit der Zeitung Expressen: „Unsere Zielvorstellung vor Meisterschaften ist, dass die schwedische Frauenfußballnationalmannschaft eine Medaille gewinnen soll. Da kommt niemand dran vorbei und das scheint mir auch ein realistisches Ziel zu sein. Das ist unser Wunsch, aber dies als Bedingung dafür anzusehen, dass Pia ihren Job behält oder nicht behält, das haben wir nie gesagt.“ Im selben Artikel sagt Lotta Schelin, dass sie niemanden kenne, der Sundhages Job besser machen könnte und dass siue sich vorstellen könne, dass Pia auch noch nach 2016 (Vertragsende) Nationaltrainerin sein könne.

Mit der 22-Jährigen Arna-Sif Ásgrímsdóttir kommt eine weitere Isländerin in die Damallsvenskan. Nach einer Woche Probetraining in Göteborg erhielt die Abwehr- und Mittelfeldspielerin einen Vertrag für eine Saison mit einer Option für ein weiteres Jahr.

In Linköping trainiert derzeit mit der 16-Jährigen Courtney Strode eine offenbar hochtalentierte Amerikanerin. Trainer Martin Sjögren jedenfalls ist beeindruckt und sagte, dass Strode natürlich noch keine Startspielerin sei, aber dass nur sehr wenige 16-Jährige das wären

Peinliche Absage

Es ist eine bittere Niederlage für Pia Sundhage. Zehn Vereine der Damallsvenskan weigerten sich, ihre Nationalspielerinnen für das in Växjö geplante Trainingslager abzustellen. Der Zeitraum 12.-16.01. ist zwar ein sogenanntes FIFA-Fenster, aber da Schweden kein Länderspiel bestreitet, können die Vereine der charismatischen Trainerin ihre Zusage verweigern, was sie also auch taten.

Dagegen hatten Turbine Potsdam, der VfL Wolfsburg, BV Cloppenburg, Bayern München, Olympique Lyonnais und Paris Saint-Germains ihre Spielerinnen bereits freigestellt. Lotta Schelin, Kosovare Asllani, Nilla Fischer und Co. wären also gekommen, aber Emmelie Konradsson, Malin Reuterwall, Elin Rubensson und Co. wurde es verboten.

Was für ein Gesichtsverlust für Pia Sundhage. Man kann sich fragen, was diesen tiefen Graben verursacht hat, der offenbar zwischen der Führung der Nationalmannschaft, deren erste Vertreterin die zweifache Olympiasiegertrainerin ist, und den Vereinen der Liga besteht? Denn dies schadet dem Ansehen des schwedischen Fußballs, keine Frage und man fragt sich, wie die weitere Zusammenarbeit zwischen Pia Sundhage und „ihren“ Trainern in der Heimat verlaufen soll.

Der Verband ergab sich heute und sagte das Trainingslager aufgrund des Boykotts ab. Nationalmannschaftschefin Marika Domanski Lyfors: „Es wäre nicht richtig, die ausländischen Spielerinnen zu einem Lehrgang einzubestellen, an dem dann praktisch keine einheimischen Spielerinnen teilnehmen.“

Und Pia Sundhages Assistentin Lillie Persson: „Dieser Lehrgang sollte einigen Spielerinnen die Möglichkeit geben, sich mit den allerbesten zu messen. Spielerinnen, die es bislang nicht geschafft hatten, in eine 18er-Formation hereinzukommen, die wir zu Länderspielen nominieren. Darüber hinaus war der Lehrgang als wichtiger fysiologischer Test im Hinblick auf die WM 2015 geplant.“

Der nächste Lehrgang findet nun vom 6.-9. Februar in Stockholm (Bosön) statt. Sicherheitshalber hat man nun schnell ein Auswärts-Länderspiel (Gegner wird noch bekanntgegeben) vereinbart, um nicht eine neuerliche Blamage hinnehmen zu müssen.

Sundhage oder Dennerby?

In Schweden gibt es die Debatte schon ein ganzes Jahr und eine überwältigende Mehrheit der am Frauenfussball interessierten will, dass Pia Sundhage die schwedische Nationalmannschaft vor der EURO 2013 übernimmt. Und dass Thomas Dennerby aufhört.

Vergangenes Jahr, als die US Soccer Federation ihren Vertrag mit Sundhage um vier weitere Jahre verlängern wollte, lehnte die Schwedin ab. Nach so vielen Jahren im Ausland (China und USA) wolle sie nun wirklich endlich wieder in ihrer Heimat leben und arbeiten.

Der Vertrag der charismatischen Trainerin läuft im November aus, der Vertrag von Thomas Dennerby mit dem schwedischen Fussballverband geht bis Ende Dezember.

Karl-Erik Nilsson, der Vorsitzende des schwedischen Fussballverbands, hat unter der Woche in einem Interview mit der Zeitung Aftonbladet die Tür für Sundhage geöffnet und die für Dennerby scheint sich nach sieben Jahren zu schliessen.

Sieben Jahre hat Dennerby die schwedische Mannschaft betreut, sein grösster Erfolg die Bronzemedaille bei der WM 2011 in Deutschland. Doch die Spielerinnen gehen allmählich etwas auf Distanz. Lotta Schelin wirkte schon nach dem Kanada-Soiel in der Vorrunde (2:2) frustriert und klagte darüber, dass sie vorne ganz allein sei. Deutlicher wurde sie nach dem Ausscheiden gegen ihre französischen Vereinskameradinnen. 4-2-3-1 sei zu unflexibel gespielt worden, wenn der Gegner Druck mache, dann bekäme sie einfach keine Bälle mehr. Das war vorsichtige Kritik Richtung Trainerteam Dennerby / Ann-Helen Grahm, die stur an einem System festhielten.

Viel deutlicher wurde Caroline Seger am Tag nach dem Aus im Viertelfinale. Es sei Zeit für einen Trainerwechsel nach sieben Jahren. Dennerby habe das getan, was zu tun gewesen sei, aber nun seien auch mal neue Ideen gefragt.

Dabei müsste ein neuer Trainer gerade Spielerinnen wie Seger entweder neu motivieren oder auch einfach mal auf die Bank setzen. Die ehemalige Mannschaftskapitänin hat immer wieder mal zehn erstklassige Minuten, verschwindet dann aber in der Regel für eine gute Stunde in die Anonymität. Überhaupt wäre mehr Konkurrenzdruck gefragt. Logisch, dass Hedvig Lindahl ihren Platz als unumstrittene Nummer 1 im Tor räumen muss unter einem neuen Trainer. Trotz eklatanter Fehler in nahezu jedem Turnier bekam Lindahl immer wieder die Rolle der Nummer 1. Vermutlich wagte Dennerby nicht, der nicht unproblematischen Keeperin (bei Linköping und Göteborg wollte man sie jeweils nicht mehr haben) zu sagen, dass sie mindestens auf die Bank gehört.

Im Mittelfeld sind Spielerinnen wie Seger, Lisa Dahlkvist, Marie Hammarström und Nilla Fischer gesetzt gewesen und verkörpern eher den robusten schwedischen Spielstil. Was in Schweden unter Dennerby überhaupt nicht funktioniert, ist die schnelle Transition von den Jugendnationalmannschaften in die A-Mannschaft. Als sich Charlotte Rohlin und Sara Larsson aufgrund von Verletzungen von Olympia verabschieden mussten, rückten mit Emma Berglund und Linda Sembrant zwar gute Reservistinnen nach, aber Dennerby fehlte immer der Mut, wenigstens in den zahlreichen Vorbereitungsspielen einmal junge Nachwuchsspielerinnen zu nominieren, um auf die Arrivierten mehr Druck zu machen: Jennie Nordin, Amanda Ilestedt, Jessica Samuelsson in der Abwehr, Elin Rubensson und Malin Diazsollten in etwas weniger als einem Jahr unter vermutlich Pia Sundhage wenigstens im Gespräch sein.

Schon nach der EM 2009 soll gegen Dennerby aus Spielerinnenkreisen gemeutert worden sein. Man war bei der EM in Finnland gegen Norwegen klar ausgeschieden und der Spielerrat schrieb einen Brief an die stellvertretende Vorsitzende des Fusballverbands Susanne Erlandsson. Und bekam keine Antwort. Und schrieb noch einen Brief. Während der WM 2011, so behauptet ein Insider, hätte ein Kern der Mannschaft sich selber vor den Spielen zusammengesetzt und taktische Details ohne den Trainer besprochen und festgelegt. Harter Tobak, wenn das stimmen sollte.

Aber die voraussichtliche Nachfolgerin Pia Sundhage ist bei allem Respekt, den man vor ihr hat, auch keine Wunderheilerin. Mit der chinesischen Mannschaft ist sie an der Seite von Marika Domanski-Lyfors 2007 bei der WM gescheitert. Das lag wesentlich auch an dem Aufeinanderprallen der Kulturen der schwedischen demokratischen Mannschaftsführung und den anderen Vorstellungen des chinesischen Fussballverbands.

Als man Sundhage dann in die USA holte, wo sie mit den Boston Breakers den Meistertitel gewann, erhielt sie zu Recht den Traumjob im Frauenfussball. Und bedankte sich mit einer Silbermedaille bei der WM 2011 sowie zwei olympischen Goldmedaillen. Aber – bei der US Soccer Federation handelt es sich auch um eine Organisation, die den Frauenfussball ganz hoch ansiedelt und die eine hervorragende Struktur mit allen notwendigen Ressourcen anbietet. Darüber hinaus ist Frauenfussball in den USA vergleichsweise hoch angesehen und es gibt ein schier unerschöpfliches Reservoir an hervorragenden Spielerinnen und Talenten.

In Schweden ist das alles eine Nummer kleiner, der Verband ist in Wirklichkeit auch nicht so sehr am Frauenfussball interessiert, er generiert ja auch (fast) kein Geld.

Gestern Abend stand Pia Sundhage nach dem Spiel und der Siegerehrung alleine auf dem Rasen des Wembley-Stadions als ihre Spielerinnen Hope Solo, Alex Morgan, Carli Lloyd, Megan Rapinoe und Abby Wambach ausgelassen feierten und sich von Zuschauern fotografieren liessen.

Was ihr in diesem stillen Moment durch den Kopf gegangen sei, wollten Journalisten später von ihr wissen: „Ich habe mir selber klar gemacht, dass wir im Wembley-Stadion sind. Dass wir das Finale gespielt haben und die Spielerinnen ihr Gold gewonnen haben. Es ist schwer, das auf Englisch, selbst auf Schwedisch zu erklären. Ich hab auch gedacht, dass wir ein Teil einer richtig grossen Sache im Frauenfussball waren. Und dass wir nur der Anfang von etwas ganz Fantastischem sind.“