ffschweden im Gespräch mit Alexandra Riley

Alexandra_Riley_by_ffschwedenDie 27 Jahre alte Abwehrspieleri Alexandra Riley spielt seit 2012 für den amtierenden schwedischen Meister FC Rosengård (früher LdB FC Malmö). 2015 nimmt sie an ihrer dritten Weltmeisterschaft teil, als eine der Schlüsselspielerinnen für Neuseeland. Dabei ist Ali Riley in Los Angeles geboren und auch in Kalifornien aufgewachsen. Aber da Vater John Neuseeländer ist, hatte sie von Geburt an zwei Pässe und entschied sich früh für das Land am anderen Ende der Welt. Darüber und über die Champions League, Marta und die Abgänge von Kathrin Schmidt und Elin Rubensson habe ich mich mit Ali Riley unterhalten.

Während wir in Stockholm kurz vor Weihnachten graues, eher trostloses Wetter hatten, schien bei Ali in Los Angeles die Sonne. Neun Stunden Zeitunterschied und etliche Flugstunden entfernt.

Wie lange habt ihr noch frei und fährst du noch weg?

„Wir fangen am 7. Januar wieder mit dem Training an. Ich war schon in Urlaub in der Dominikanischen Republik, jetzt bin ich einfach nur zu Hause, am 6. Januar geht es zurück nach Malmö.“

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Marta einen 3-Jahresvertrag in Malmö unterschrieben hat. Du hast mit ihr schon in jetzt drei Vereinen zusammengespielt. Was sagst du zu der langfristigen Bindung an den Verein?

„Ich bin begeistert. Natürlich haben wir gehofft, dass sie bleiben würde. Sie war ein toller Zugewinn für das Team, um die Explosivität zu bringen, die wir brauchten. Es lief auch schon vorher gut für das Team, aber sie bringt uns ganz einfach diesen Faktor X und ich glaube, das ist genau das, was wir brauchen, wenn wir raus aus Schweden gehen und nach Europa. Ich mag sie sehr sowohl als Spielerin wie auch als Person. Wir haben auf der linken Seite zusammengespielt und ich habe viel von ihr gelernt. Nächstes Jahr wird das vierte Jahr, in dem wir zusammen spielen.“

Schon mit dem FC Gold Pride und mit Western New York Flash haben Marta und Riley zusammen in der WPS Titel geholt. Wie war diese WPS-Erfahrung für dich?

„Es war der Anfang meiner Karriere als Profi und ich liebte es. Was das Spielen auf dem Platz angeht und die Teams, in denen ich war: Ich habe mit Christine Sinclair gespielt, mit Marta, mit Alex Morgan und mit Ashlyn Harris, wirklich mit den Besten der Welt. Ich hatte wirklich großes Glück in zwei tollen Teams zu sein, aber natürlich gibt es auch einen bitteren Nachgeschmack, weil unser Team aufgelöst wurde und später dann sogar die ganze Liga. Das wird leider immer bleiben und ist schon etwas traurig, aber ich liebte es und denke, dass es klug ist, wie sie jetzt arbeiten in den USA und irgendwann in der Zukunft werde ich vielleicht auch wieder in der Liga spielen. Natürlich könnte man dassselbe auch über Schweden und Tyresö sagen, aber dass eine ganze Liga aufgelöst wird, das wird es mit der Damallsvenskan wohl nicht geben.“

In einem Interview mit ESPN hast du dich mal als Spätentwicklerin beschrieben, kannst du das ein wenig erklären?

Ali lacht und sagt: „Naja, ich habe ja erstmals mit 14 in einem Verein gespielt und viele der Mädchen da draußen, die in Jungsmannschaften sind oder in Vereinen, sind viel früher dran. Ich war sehr schnell, hatte aber null Technik. Und ich hatte auch nicht das beste Training, du kannst sagen, dass es eigentlich erst losging als ich in Stanford an der Uni studierte, weil da auch ein Trainer war, der sich Zeit für mich nahm. Er hat mich von einer Flügelstürmerin zur Abwehrspielerin gemacht und das war vermutlich der wichtigste Schritt in meiner Karriere. Und ich entwickle mich immer noch und finde, dass das auch gut so ist. Ich bin keineswegs ausgebrannt, sondern voller Leidenschaft für das Spiel. Erst als ich an der Uni spielte und dann bei der WM 2007 dabei war, kam ich auf das internationale Level und bekam den Geschmack dafür und sah auch mein eigenes Potential.“

Du hättest eigentlich für die USA spielen können und wärst dann bei der aktuellen Nummer 2 der Welt dabei, startest aber für Neuseeland. Ich weiß, dass du das schon oft gefragt wurdest, aber erzähle es doch bitte nochmal.

„Ich habe nie in einer der Jugendmannschaften für eine Nationalmannschaft gespielt und kam auch nicht in das Olympiaentwicklungsteam (ODT) der USA. Da waren einige meiner Teamkameradinnen, aber wie ich schon gesagt habe, brauchte ich etwas mehr Zeit, um mich zu entwickeln. Neuseeland bot mir 2006 die Möglichkeit an, für die U20 zu spielen und das war dann schon mein letztes Jugendjahr. 2007 dann hatte ich die Chance an der WM in China teilzunehmen und ich wäre doch blöd gewesen, wenn ich das nicht gemacht hätte, mit 20 Jahren. Ich musste das einfach machen und ich habe jede einzelne Minute mit der Mannschaft Neuseelands genossen. Wir haben tolle Dinge vor uns. Natürlich ist das was anderes, für die Nr 1 oder 2 der Welt zu spielen, aber ich habe die Reise, die ich gemacht habe, genossen. Und die Mannschaft bedeutet mir viel und ist sowas wie eine Familie für mich.“

Riley gewinnt dem Spiel für Neuseeland aber auch positive Seiten für ihre eigene Entwicklung ab.

„Als wir nicht so gut gespielt haben, bedeutete es schon viel, diesen enormen Druck auf die Abwehr zu haben und mit 18, 19 Jahren in Turnieren gegen die USA und Japan spielen zu können, war gut. Du wächst sehr schnell daran und siehst auch, was du noch brauchst, um die beste Abwehrspielerin zu werden. Diese Entscheidung zu treffen, war richtig, das hat meine Entwicklung befördert.“

An der Stanford Universität hast du für das Uni-Team, die Cardinals, gespielt, wahrscheinlich also auch mit Christen Press?

„Ja, ich habe mit Christen Press gespielt, aber auch mit Kelly O’Hara und Rachel Buehler. Christen ist sowas wie eine Tormaschine, sie ist einfach jedes Jahr besser geworden und es ist toll zu sehen, wie sie weiterkommt. Ich glaube, es war sehr mutig von ihr, nach Schweden zu gehen, was sicher nicht einfach war und ich glaube, hier haben sich die Dinge für sie geändert. Ich bin immer sehr beeindruckt von ihr und glaube, dass sie eine sehr wichtige Spielerin für die USA sein wird. Und ich freue mich darauf, sie bei der WM zu sehen.“

irgendwo habe ich gelesen, dass es in Schweden zuerst mal eine Sprachbarriere gab, wie sieht das nach drei Spielzeiten aus?

„Im alltäglichen Leben schaffe ich es gut auf Schwedisch, wenn ich über Politik diskutieren sollte, dann würde ich wohl nicht viel sagen, dazu fehlen mir die Vokabeln. Ich lebe in Schweden, warum sollte ich da Englisch reden, obwohl die meisten Schweden das sehr gut können? Ich finde, das macht der Verein ganz toll, sie zwingen dich nicht, aber motivieren dich. Alle Trainingseinheiten und Mannschaftsbesprechungen sind auf Schwedisch und ich weiß von Mannschaftskameradinnen, dass das ein großer Unterschied ist zu Teams wie Vittsjö oder Göteborg, wo überwiegend Englisch gesprochen wird. In Malmö übersetzen die anderen Mädels anfangs für dich beim Training, bis du selber verstehen kannst. Ramona und Marta konnten ja schon Schwedisch, die Isländerinnen wie Sara Björk schnappen das sehr schnell auf, auch bei Anja war es so, für Anita und mich war es vielleicht die größte Herausforderung, aber alle wollen wirklich lernen und ein Teil der Kultur werden.“

Wo du schon Anita Asante erwähnst, ich habe gesehen, dass ihr beide Videos dreht, die „A & A Show“. Kannst du erklären, was es damit auf sich hat und wird es weitere Folgen geben?

„Wir werden tatsächlich eine neue Folge in den nächsten Tagen hinzufügen. Wir machen sehr gerne Videos. Ich habe das schon an der Uni mit dem Standord-Team gemacht und dann mit Kelly O’Hara, dann habe ich das für ESPNW und die Flash in der WPS gemacht und habe die Fans auch durch unsere neuseeländische WM-Reise 2011 geführt. Anita hat eine tolle Persönlichkeit und sie liebt es, vor der Kamera zu stehen. Ich glaube, wir hatten ein Treffen im Verein, es ging um soziale Medien und Anita sagte, dass sie gerne öfter vor Leuten sprechen würde und ich sagte gleich, dass wir uns zusammentun sollten. Wir haben Ideen gesammelt und lustige Sachen gemacht. Am Ende der Saison haben wir etwas für das Team gemacht. Ein paar Episoden sind auf YouTube, aber wir haben die „A & A Show“ jetzt der Frauenfußballseite Women Soccer United gegeben und da sind die Videos zu finden.“

Ein paar gibt es auf YouTube, hier die Premiere mit den zehn wichtigsten Wörtern, die man als Fußballerin in Schweden wissen sollte:

Lass uns vielleicht gegen Ende nochmal auf die Champions League zurückkommen, du hast schon gesagt, dass Marta da die ideale Ergänzung für eine sonst gute Truppe ist. Aber habt ihr sie wirklich gebraucht?

„Tyresö war ja auch ein sehr starkes Team mit tollen Spielern, aber man hat gemerkt, wenn Marta nicht dabei war. Als sie ein paar Spiele verpasste 2013, übernahmen wir in der Liga die Führung. Allein, wenn man sie 2014 im Champions League Finale gesehen hat – sie war phänomenal, sie bringt einfach dieses gewisse Extra. Jeder kennt sie, jeder hat Angst vor ihr und du willst gegen sie definitiv nicht verteidigen müssen, selbst ihr rechter Fuß hat sich jetzt toll entwickelt. Sie hat einfach alles und ist so eine unglaublich hart arbeitende Mannschaftsspielerin. Und das ist, glaube ich, etwas, was nicht alle begreifen.“

Jetzt geht es gegen Wolfsburg, gegen die in der letzten Saison ausgeschieden seid. Den zweifachen Sieger und mit 34:1 Toren souveränen Tabellenführer der Bundesliga.

„Ich glaube, der Schlüssel zum Erfolg ist der klinische Abschluss. Wie du schon gesagt hast, die sind sehr stark in der Defensive und wenn wir Chancen bekommen, dann müssen wir sie nutzen. Wir hätten damals gegen sie zu Hause gewinnen müssen, haben aber so viele Chancen ausgelassen und dann war es aus nach diesem Spiel. Klinische Abschlüsse und ich denke, es ist alles eine Mentalitätssache. Die sind selbstbewusst, haben eine tolle Einstellung. Nimm nur das Champions League Finale, was die da mitgemacht haben und wie sie es trotzdem geschafft haben. Ich denke, dass wir uns gerade da verbessern müssen. Wir haben eine gute Abwehr, wir haben gute Teamarbeit, es dreht sich alles um den Kopf und den Abschluss. Gegen Wolfsburg wird unser erstes richtiges Spiel in der Vorsaison sein. Wir müssen in der Vorsaison die Einstellung bekommen, dass wir tough sind und unbesiegbar. Die ersten zehn Minuten werden entscheidend sein und den Ton bestimmen.“

Zwei wichtige Spielerinnen haben den Verein verlassen, Kathrin Schmidt und Elin Rubensson, sie werden euch fehlen, besonders Kathrin, die meiner Meinung nach eine der besten defensiven Mittelfeldspielerinnen ist.

„Das sind wirklich zwei große Veränderungen, besonders mit Schmittie. Sie war meine Zimmerkameradin und eine meiner besten Freundinnen in der Mannschaft und ja, ich gebe dir Recht: Ich finde, sie wird unterschätzt; so wie wir spielen, brauchst du eine Spielerin die diese Art von ruhmloser Arbeit mache, da hinten drin ist, die wichtige Tacklings macht und wichtige Pässe spielt, aber niemand sieht sie da so richtig und das ist wirklich eine harte Rolle. Ich glaube aber, dass Anita und ich bin nicht sicher, dass es so kommt, aber wenn Anita ihre Rolle übernehmen soll, dann glaube ich, dass sie das brilliant lösen wird. Ich glaube,dass sie nach vorne dann auch etwas mehr Freiheiten bekommen würde, was sie mögen dürfte. Aber ich habe auch tolle Sache über Emma Berglund gehört und bin sicher, dass sie ein toller Neuzugang ist. Was Elin angeht, so freue ich mich für sie, denn sie sollte von Beginn an spielen können und das ist auch wichtig für die schwedische Nationalmannschaft, die inzwischen sowas wie mein zweites Team ist.

Zum Schluss noch ganz kurz zur WM, wo ihr mit Neuseeland unter anderem gegen den Gastgeber Kanada spielen müsst.

„Wir hatten China als sie Gastgeber waren, wir hatten Großbritannien, als sie Gastgeber waren. Diese Ehre zu haben ist entweder ein Fluch oder ein Segen. Es ist aufregend und ich denke, unsere Gruppe ist ganz schön ausgeglichen. Da gibt es kein Team, das einfach überrollt wird. Ich bin froh, dass es Kanada geworden ist und nicht eines der fünf Powerhäuser der WM. Kanada ist ei sehr respektables Team und die machen tolle Arbeit, aber es ist ein Unterschied, ob du gegen die USA, Deutschland, Japan oder Frankreich spielen musst. Es ist eine gefährliche Gruppe, weil es keine einfachen Siege gibt, aber es ist auch gut für uns. Wir spielen oft gegen China, wir spielen oft gegen Kanada und Holland kennen wir aus jedem Jahr beim Zypern-Cup. Wir hoffen natürlich, die Gruppe zu gewinnen, aber Erster oder Zweiter muss das Ziel sein, um dann eine gute Position in der nächsten Runde zu haben.“

Auftakt nach Maß

Wenig überraschend gelang Eskilstuna United ein Auftakt nach Maß. Der Aufsteiger lockte am Montagabend 1853 Zuschauer auf den heimischen Tunavallen zum ersten Spiel in der Damallsvenskan in seiner Vereinsgeschichte. Und die bejubelten frenetisch die Tore von Kim Arodin und Felicia Karlsson zum 2:0 Heimsieg gegen die stark eingeschätzten Gäste von KIF Örebro.

Der erste Spieltag hat damit dank Eskilstuna einen Zuschauerschnitt von 863.

Bereits heute Abend tritt das deutsche Trio Anja Mittag, Katrin Schmidt und Paula Radtke gegen den Regionalrivalen Vittsjö GIK an.

Ein neues Jahr

Elaine_Anja

Brasiliens Nationalspielerin Elaine versucht Anja Mittag den Weg abzuschneiden (Spiel: LdB FC Malmö – Tyresö FF am 03.11.2012)

Das hätte sich Anja Mittag so auch nicht träumen lassen. Vor gut einem Jahr packte sie ihre Siebensachen und machte sich auf nach Malmö, um ihrer Karriere, die durch die Nichtnominierung zur WM 2011 einen herben Knick bekommen hatte, neue Impulse zu geben.

In den Vorbereitungsspielen zeigte die Chemnitzerin mit zweiter Heimat Potsdam, dass mit ihr zu rechnen sein wird und obwohl sie nicht serienweise Tore schoss, sagte ihr neuer Trainer Peter Moberg beharrlich, dass Anja schon noch treffen würde und zwar sehr oft.

Moberg hätte wetten sollen. Am Ende sprangen 21 Tore in 21 Spielen raus. Souveräner Sieg in der Torschützenliste vor einer absoluten Weltklassestürmerin wie Christen Press, die man in Deutschland noch entdecken muss und wird. Das Prädikat „Weltklasse“ wurde mehrfach benutzt, um die Leistungen der 27-Jährigen zu etikettieren und Kristianstads Trainerin, die charismatische Isländerin Elisabet „Beta“ Gunnarsdottir sagte gar: „Anja Mittag ist eine meiner absoluten Lieblingsspielerinnen, eine der intelligentesten Stürmerinnen der Welt.“

Wow. Wer Anja Mittag mal getroffen hat, der weiß, dass sie solches Lob zwar schmeichelt, dass sie es aber auch sehr bescheiden aufnimmt. „Ja, das ist schon schön zu hören,“ sagte sie mir im September, als wir für das Goethe-Institut ein Interview mit ihr drehten, das voraussichtlich im März zu sehen sein wird, als kleines Warm-Up vor der herannahenden Europameisterschaft. „Ja, das ist schon schön zu hören.“ Dem folgt in der Regel dann sofort etwas Relativierendes. Dass es auch andere gäbe, die total gut wären. Nein, Mittag ist nichts Besonderes, sie will es jedenfalls nicht sein und ist es vielleicht auch gerade deswegen. Umeås ehemaliger Trainer Mika Sankari sagte mir mal in einem Interview, dass es für eine Spielerin, die zu den allerbesten der Welt gehören will, neben allem spielerischen Können, neben aller Athletik noch eine Charaktereigenschaft brauche. Auf Schwedisch heißt das „ödmjukhet“ und das ist eine Mischung aus Bescheidenheit, Respekt vor anderen und auch Demut.

Im Oktober habe ich mich noch einmal „offiziell“ mit Anja Mittag unterhalten, ich schrieb an einer Geschichte über die drei besten neuen Spielerinnen der Damallsvenskan. Die beiden anderen waren die vorhin schon erwähnte Christen Press und Tyresös Mittelfeldvirtuosin, die Spanierin Vero Boquete, auch die in Deutschland zu Unrecht zu wenig bekannt, für mich schon heute eine der weltbesten Mittelfeldspielerinnen.

Das Interview, aus dem ich jetzt zitiere, liegt also schon länger zurück, es ist aber nicht weniger aktuell.

Warum sie weg gegangen ist aus Potsdam, wollte ich wissen. „Ich war einfach müde nach zehn Jahren in Potsdam.“ Zehn Jahre in der Tat vom Teenager zur Frau, vom Talent zur arrivierten Nationalspielerin. Man kennt jedes Training schon im Vorfeld, kann den Weg von der Wohnung zum Luftschifffahrthafen schlafwandelnd zurücklegen, hat viele andere kommen und gehen sehn. Hat alles gewonnen, alles gespielt, alles probiert. Das sind meine Worte, meine Überlegungen, nicht ihre.

Die Karriere hatte auch einen Knicks bekommen. Das einst größte Talent im offensiven Bereich im deutschen Fußball spielte immer noch gut, wäre immer noch eine Startspielerin in vielen europäischen Vereinen gewesen. Aber in der Nationalmannschaft etwa kam sie an Birgit Prinz, an Inka Grings einfach nicht vorbei vor der WM 2011. Am Ende flog sie aus dem Kader von Silvia Neid. Ausgerechnet bei der WM zu Hause. Wo man vor allen Freunden, der Familie spielen will, dabei sein will bei diesem Fest, das man nur einmal im Leben erleben kann.

Heute kann sie froh sein, dass sie nicht nominiert wurde. Das bittere Aus gegen Japan blieb ihr erspart. Die verpasste Chance, diese gigantische, verpasste Chance war nicht ihre verpasste Gelegenheit. Andere würden sicher leise Genugtuung empfinden. Selber schuld, wenn ihr mich nicht mitgenommen habt. Jetzt habt ihr den Salat. Nicht Anja Mittag. Das macht eben ihre Größe aus.

Silvia Neid hat sie zurückgeholt. Nach der WM. Nach dem Rücktritt der Unersetzbaren. Nach dem späteren Ausstieg von Inka Grings. Inzwischen bildet sie mit Celia Okoyino da Mbabi das erfolgreichste Angriffspaar seit Jahren, das haben wir letztes Jahr mehrfach gesehen.

Wie ist das neue Leben in Schweden? „Eigentlich gibt es zwischen Schweden und Deutschland keine besonderen Unterschiede,“ sagt Anja mir auf einer Telefonleitung, die mich vermuten lässt, dass sie in Malmö in einem Atomschutzbunker mit eingeschränktem Empfang sitzt. Dabei sind wir beide zu Hause. „Was mich manchmal stört ist der Wind. Der ist hier einfach immer da.“

Stimmt. Der Wind in Malmö. Im September, bei meinem ersten Besuch bei LdB FC Malmö und auch im November, bei der zweiten Reise zum Malmö IP, merke ich das auch. Der Wind vom nahe gelegenen Öresund, der Meeresenge in der Ostsee, auf dren anderer Seite Kopenhagen liegt, ist tatsächlich immer gegenwärtig.

„Die Leute hier sind sehr hilfsbereit und alle sind freundlich,“ erzählt Anja Mittag und fährt fort, dass es ihr auch aufgefallen sei, dass man hier vielleicht Regeln nicht ebenso streng befolgt wie in Deutschland.

Ob denn ihre enormen Erfolge hier in Schweden ein Echo in Deutschland gefunden haben. „Ja, schon. Als ich zur Ebba gewählt wurde {Auszeichnung zur wertvollsten Spielerin der Liga durch den Verein Elitensport Frauenfußball}, da gab es doch einige, die das in Deutschland berichtet haben, unter anderem auch der DFB.“

Das Spiel hier in Schweden, ist das anders? „Oh ja, es ist vor allem viel physischer. Es gibt praktisch kein Spiel mehr, nach dem ich nicht ein paar blaue Flecken irgendwo habe,“ sagt sie und ich erinnere mich, dass mir Ariane Hingst und Nadine Angerer vor ein paar Jahren schon  mal ungefähr das gleiche erzählt haben, als sie für Djurgården spielten.

„Einer der größten Unterschiede, der mir in der Organisation auffällt, ist, dass wir in Deutschland in vielen Teams einfach einen größeren Kader haben. Viele haben ja eine zweite Mannschaft, das gibts hier gar nicht.“ Pokalsieger Kopparberg/Göteborgs FC etwa hat das letzte Drittel der Saison auf dem Zahnfleisch gehend mit 14 Spielerinnen im Kader beendet. Man nahm nur drei Reserven zu einigen Auswärtsspielen mit.

In Malmö ist Anja Mittag in einer hochprofessionellen Umgebung gelandet. Im Mannschaftskader hat sie mit Ramona Bachmann und Katrin Schmidt zwei Spielerinnen mit derselben Muttersprache, das erleichtert den Einstieg, selbst dann, wenn man Profi ist.

Und nun die EURO in Schweden. Wie sie denn ihre Chancen sieht, im Kader von Silvia Neid zu stehen? Sie lacht und sagt, dass sie dass keineswegs für selbstverständlich hält, dass sie alles auf sich zukommen lässt und sich aber in jedem Fall auf das EM-Turnier freut.

In Stockholm holte sie sich dann alle beiden Preise ab, für die sie nominiert war. Irgendwie typisch. Nach dem ersten Preis traf ich sie backstage, wo die Spielerinnen sich Journalisten stellen müssen, wir unterhielten uns etwas, bis ich sagte, ich glaub du musst wieder raus, denn gleich wird schon wieder was verliehen. Nö, wir können doch noch n bisschen reden, meinte sie. Und ich sah noch mal aufs Programm. Nein, das steht jetzt ist die Verleihung des Preises für die wichtigste Spielerin der Saison. Sie ging wieder in die Halle und kam gerade an ihrem Platz an, als ihr Name aufgerufen wurde.