Sieben Tore und eine dramatische Wende. Individuelle Kabinettstücke. Das Champions-League-Fnale zwischen dem VfL Wolfsburg und Tyresö FF gestern Abend war eine grandiose Werbung für den Fauenfußball.
Ein Spielbericht wäre überflüssig. Aber ein bisschen Analyse und Meinung.
Der VfL Wolfsburg ist die beste Vereinsmannschaft Europas. Vielleicht der Welt. Aber in den USA wird auch gut gespielt. Es war eine amerikanische Leistung, wie sie das gestern gedreht haben.
Marta ist für mich die beste Spielerin, die je gegen einen Ball getreten hat. Dabei bleibt es. Ihre beiden Tore zeigten deutlich ihr überragendes Können. Auch wenn es vielen in Deutschland nicht passt, ihre Klasse ist einzigartig. Vieles in ihrem Wesen auf dem Platz kommt von ihrer Kindheit in dem armen Städtchen Dois Riachos und ihr unbändiger Kampfwille aus der Zeit, wo sie sich behaupten musste, um zu überleben, um den Traum weiterzuleben.
Der Assist von Nadine Keßler zum Siegtreffer ist ein Fußballmoment, den ich nicht vergessen werde. Was für eine geniale, wunderbare Aktion!! Absolute Weltklasse!!! Dass Lena Goeßling trotz der Platzwunde in der ersten Halbzeit weitermachen würde, wenn es nur igendwie geht, war mir klar. Dass sie dann in der zweiten Halbzeit noch ein so grandioses Spiel machen würde, war keine Selbstverständlichkeit. Das alles spricht dafür, dass Deutschland eine ziemlich gute WM spielen kann, nächstes Jahr.
Und wieder ziehe ich den Hut vor Ralf Kellermann. Der Mann hat Wolfsburg seit 2008 geformt, natürlich profitiert er vom Willen des Vereins, besser und am besten zu werden und zu sein. Aber du musst so ein Kollektiv auch führen können. Und vor allem eine Taktik formulieren, und eine Halbzeitansprache halten.
Wolfsburg hat sich gewandelt. Vor einem Jahr zeigte man eine geschlossene, große kämpferische Leistung gegen Lyon. Zerstörte das Spiel der Französinnen, die rein spielerisch besser waren. Und gewann durch einen Handelfmeter, den man nicht geben musste.
Heuer hat Wolfsburg extrem nach vorne gespielt. Man hat neue Möglichkeiten und hart dafür gearbeitet. Ralf Kellermann sagte mir, dass er seine Spielerinnen im Training eher bremsen als motivieren muss. Damit sie nicht zu viel machen.
Immer ziehe ich meinen Hut für Tony Gustavsson. Ich bin ganz sicher, dass er schon bald mitteilen wird, dass er in die USA geht als Assistent von Jill Ellis.USSOCCEr wäre schön blöd, wenn es sich diesen Knöpfedrücker nicht besorgen würde. Den Menschenversteher und Motivator, der immer schmunzelt und lacht, wenn er mit dir redet. Die Spielerinnen verehren ihn. Christen Press schrieb in ihrem Blog, dass sie sich nach den ersten Wochen in Tyresö unsicher fühlte und nach einem Training in die Kabine ging, wo sie sonst noch außer der Reihe Schüsse aufs Tor übte. Sie sei sich unsicher gewesen, ob sie in diesem Starkollektiv die Anforderungen erfüllen würden könne. Als sie auf den Parkplatz kam, wartete da Tony auf sie. Sprach mit ihr, fragte ob es ihr gutgehe. Gab ihr einen Klaps auf den Oberarm und ging. Vor dem Spiel gegen Birmingham, inmitten all des Chaos des drohenden Konkurses ging es Christen wieder nicht gut und sie machte nicht die eigenen Schussübungen. Und ein Jahr nach der ersten Begegnung wartete Tony wieder auf dem Parkplatz. Aber dieses Mal, so erzählte sie, schaute er sie nur freundlich an, lächelte, nickte ihr zu und ging. Spätestens da weißt du, dass dein Trainer dich sieht und dass er für dich da ist, falls du ihn brauchst. Rückhalt. Das ist stark. Gustavsson hat sein Team stark eingestellt gestern.
Mit Christen Press hatte ich letzten Samstag darüber gesprochen, ob es nicht riskant sei, dass Tyresö die Liga so nebenbei laufen lässt, viel rotiert und hatte mit ihr auch über die Männer von Bayern München gesprochen und Pep Guardiolas gigantischen Fehler, dass er nach der Meisterschaft im März die Zügel schleifen ließ aus Überheblichkeit. Statt seine Mannschaft weiter zu pushen und ihnen zu sagen, wir wollen den absoluten Bundesligarekord ohne eine einzige Niederlage, verlor man in Augsburg und der Zug stotterte vor sich hin. Und holte sich eine Klatsche gegen Real Madrid, war chancenlos. Als es dann wieder statt 70 auf 120% hätte gehen müssen.
Das war auch Tyresös Problem. Neulengbach und Birmingham waren keine richtigen Gegner. Und in der ersten Halbzeit sah man auch wie der sichere Sieger aus. Als dann auf einmal die Wolfsburger Walze aus der Kabine kam, da konnte Tyresö keine Gegenwehr auf Augenhöhe abrufen, man war es einfach nicht gewöhnt auf einen jetzt so starken Gegner zu treffen. Marta versuchte es noch mal, sie muss das gespürt haben und wie ich das schon so oft von ihr gesehen habe, in entscheidenden Momenten, wenn die anderen alle durchhängen, da macht sie ein Traumtor und bringt ihr Team noch einmal in Führung. Als dann der unglückliche Ausgleich fiel, als Wolfsburg nicht Fairness zeigte und den Ball wieder zurückspielte nach einer Verletzungsunterbrechung für Meghan Klingenberg, da war klar, dass das 3:4 nur eine Frage der Zeit war.
Ich bin sicher, dass sich Wolfsburg jetzt auch den Meistertitel holen wird. Und Tyresö? Am Sonntag sollen alle Stars spielen gegen den FC Rosengård. So hieß es vor dem Finale. Ich bin ziemlich sicher, dass es das letzte Spiel sein wird. Vielleicht wird schon das Pokalspiel gegen Umeå nicht mehr durchgeführt. Aber das ist Spekulation. Dennoch, die Leere muss groß gewesen sein gestern.
Vielen Dank für die tollen Fotos an Marion Kehren, die natürlich alle Rechte an den Bildern hat.