Vor dem Abschied

In knapp zwei Stunden fahre ich bei fantastisch sonnigem Wetter nach Tyresö zu dem, was 2012 und 2013 noch das absolute Topspiel der Liga war. Tyresö FF, gerade heimgekehrt von einem grandiosen, aber verlorenen CL-Finale, trifft auf den Meister FC Rosengård.

Heute steht aber das Wort Abschied über allem anderen. Zumindest für die Gastgeber. Abschied von Whitney Engen, Meghan Klingenberg, Christen Press und Vero Boquete, die heute ihr letztes Spiel machen im rotgelben Dress.

Am Mittwoch ist dann noch Pokal daheim gegen Umeå und am 04.06. ein Auswärtsspiel in Linköping. Danach dann der Gerichtstermin, von dem alle glauben, dass er mit dem Bescheid enden wird, dass man Tyresö Fotboll AB in Konkurs versetzen wird.

Für Meister Rosengård geht es um drei Punkte, den Abstand zu vergrößern. Die Verfolger haben Federn gelassen. Gestern. Kopparberg/Göteborgs FC mit den ehemaligen Bundesliga-Spielerinnen Andrine Hegerberg und Lieke Martens verlor gestern gegen die starke Mannschaft von KIF Örebro zu Hause mit 0:2. Und Vittsjö verpasste Jitex beim 2:;1 Heimsieg die siebte Niederlage im siebten Spiel.

Göteborg nach Nilsson

Wird Olivia Schough 2014 einer der letzten Stars in Göteborg sein?

Wird Olivia Schough 2014 einer der letzten Stars in Göteborg sein?

Torbjörn Nilsson hat Kopparberg/Göteborgs FC nach sechs Jahren verlassen, mit Stefan Rehn übernimmt ein weiterer, ehemaliger Spieler des IFK Göteborg der Stadt bestes Frauenteam.

Aber wohin geht die Reise? Zweimal holte Nilsson den Pokal, dieses Jahr noch den Supercup nach einem dramatischen Elfmeterschießen in Tyresö. Der Vorsitzende des Vereins, Peter Bronsman, ist gleichzeitig Boss des erfolgreichen Brauereiunternehmens Kopparberg. War mal Weltmarktführer im Export von Cider. Gelder sind vorhanden.

Aber sie werden nicht notwendigerweise in den Verein investiert. Das ist bestenfalls halbherzig, was man an der Westküste macht. Torbjörn Nilsson wurde versprochen, dass man investieren würde, um mit Tyresö und Malmö mitzuhalten, um ihn zu einer Unterschrift unter einen 2-Jahresvertrag zu bewegen.

Christen Press war eine Neuverpflichtung, die viele 2012 nicht kannte, die aber in der Liga für Furore sorgte und entscheidend beitrug, dass Göteborg auch im vergangenen Jahr noch zumindest zeitweise mithalten konnte mit den beiden Giganten der Liga.

Aber wie schon Nationalspielerin Olivia Schough mir vor wenigen Wochen in Tyresö frustriert nach dem 1:4 sagte: „Wir haben einfach keine Breite im Kader. Wir sind zu wenige.“ Manchmal saßen bei Göteborg nur drei Spielerinnen auf der Bank bei Auswärtsspielen und manchmal war eine davon noch die längst zurückgetretene Jane Törnqvist. 

Nun geht mit Anita Asante der letzte Star und in einem Interview mit der Zeitung Expressen sagten die beiden Nationalspielerinnen Kristin und Marie Hammarström, dass sie nicht mehr hinterherlaufen wollen. Sie verlangen Investitionen oder aber sie überlegen, ihre Karrieren zu beenden.

Bronsman sagt, dass Asante gegangen sei, weil sie unbedingt Champions League spielen wollte. Die Engländerin ist jedoch weit klüger. Mir sagte sie in Göteborg, dass der Entschluss Göteborg zu verlassen aufkeimte, als der Verein Christen Press mehr oder weniger sang- und klanglos von Tyresö abwerben ließ. Anita verstand, dass Göteborg nicht mehr mit den beiden Topteams mithalten wollte oder konnte.

Yael Averbuch wird mit ziemlicher Sicherheit 2014 wieder in der NWSL spielen. Damit geht eine weitere wichtige Spielerin. Mit Cathrine Dyngvold und Jessica Landström wurden zwei Spielerinnen verpflichtet, die nicht ansatzweise das brachten, was man sich erhofft hatte. Und die mitten in der Saison unter merkwürdigen Umständen verpflichtete Andrine Hegerberg besitzt nicht entfernt die Schnelligkeit ihrer kleinen Schwester Ada, ist für einen Topverein viel zu langsam.

Wird Göteborg investieren?

„Einfache Antwort, ja. Wir werden in der nächsten Saison ein größeres Spielerinnenbudget haben, aber wir werden nicht unsere finanzielle Basis gefährden. Stefan wird jetzt besonders wichtig, da er die Spielerinnen finden muss, die er haben will. Gleichzeitig soll er einen Kern aufbauen, der schon in der Mannschaft ist. Wir werden auch längerfristige Verträge mit Spielerinnen machen,“ sagt Bronsman, der bislang lediglich 1-Jahresverträge mit allen Spielerinnen abschloss. Ausnahmen waren Asante und Averbuch, die jeweils 1,5 Jahre bekamen, weil sie mitten in einer Saison kamen.

Versprochen haben Sportchefs und Präsidenten von Frauenfußballvereinen schon sehr viel, seit ich den Sport verfolge, aber selten wurde das letztlich auch umgesetzt. In Göteborg jedenfalls steht ein enormer Wechsel an vor der kommenden Saison.

Tschüss, Torbjörn!

TorbjörnNehmen wir es gleich einmal vorweg. Der Mann hat Charisma. Mit ihm verlässt einer der sympathischsten und mit Sicherheit der erfolgreichste ehemalige Fußballprofi die Damallsvenskan.

Torbjörn Nilsson und sein Club Kopparberg/Göteborgs FC gaben heute Nachmittag gemeinsam auf der Webseite des Vereins bekannt, dass nach sechs Spielzeiten Schluss ist für ihn als Cheftrainer.

Nach einer enttäuschenden Rückrunde mit drei Siegen, einem Unentschieden und fünf Niederlagen ist die Luft raus, wie Nilsson selber klug sagte. Möglicherweise hatte er der Mannschaft nichts mehr zu geben, konnte definitiv kein Feuer mehr entzünden.

Aber Personalien fallen einem in Göteborg ein. Christen Press war die ideale Stürmerin für das Spiel Göteborgs. Als einzige Spitze hatte sie den Auftrag „in the deep“ zu gehen, wie Nilsson ihr vergangenes Jahr erklärte. Nach einer akzeptablen Saison, in der man aber weder Malmö noch Göteborg gefährden konnte, ließ es die sportliche Leitung und der Vorstand zu, dass Press dem aggressiven Werbegebaren von Meister Tyresö FF nachgab und den Verein wechselte. Da lockte wohl die Champions League, das Geld und auch die eine oder andere Mitspielerin in Tyresö.

Aber es gab einen Glücksgriff. Von den Birmingham Ladies kam Jodie Taylor, für die meisten ein unbeschriebenes Blatt, eine Spielerin, die dem Nationalkader von Hope Powell in England nicht angehörte. Und Jessica Landström wollte es auch noch einmal wissen und kam von Absteiger Djurgården.

Taylor schlug ein wie eine Bombe. Zehn Tore in zehn Spielen, ein perfekter Ersatz für Press und Taylors Erfolg war gleich mit Landströms Rückkehr auf die Bank – wie schon in Frankfurt. Jodie Taylor war schnell, schussstark, konnte das Spiel lesen und nutzte ihre Chancen. Und wurde nicht für die EURO nominiert. Eine Fehlentscheidung von Powell wie so viele andere, die dann zum kläglichen Ausscheiden Englands bei der EURO führten und zu Powells Abschied nach mehr als 15 Jahren an der Macht im englischen Frauenfußball. Jodie Taylor haute ab. Nach Hause. Sie sagte, sie habe so viel investiert, um in die Nationalmannschaft zu kommen, habe ihr Zuhause, ihre Freunde, sogar eine Beziehung aufgegeben dafür. Zu viel. Torbjörn Nilsson sagte, dass man jemanden, dem es so schlecht wie Taylor gehe, nicht aufhalten könne.

Da blieben Cathrine Dyngvold, Jessica Landström und Olivia Schough. Aber keine konnte Taylor ersetzen. Schough ist ein Wirbelwind auf den Außenpositionen, aber sie ist kein Goalgetter. Jessica Landström fehlt die Technik und Cathrine Dyngvold ist zu langsam. Und so holte man eine Spielerin, die in puncto Schnelligkeit angeblich auch noch nachlegen muss: Andrine Hegerberg und die Art wie dieser Wechsel zustande kam, mit Abschied ohne sich zu verabschieden, einem Testspiel, von dem der alte Verein Turbine Potsdam nichts wusste und einer Bitte um Freigabe 24 Stunden bevor das Transferfenster schloss, war schon kein gutes Zeichen. Am Samstag kann ich mir das alles noch einmal anschauen, dann gastiert Göteborg nach drei Niederlagen in Serie bei Tyresö.

Der Kader von Göteborg besteht nach wie vor aus 15-16 Spielerinnen, zu wenig, um an der Spitze mithalten zu können. In Tyresö sitzen derzeit Sara Thunebro, Kirsten van de Ven, Jennifer Hermoso Fuentes und Malin Diaz auf der Bank und nach der Ankunft Whitney Engens letzte Woche wird wieder eine geopfert werden müssen, möglicherweise Nationalspielerin Linda Sembrandt.

In Göteborg sitzt Jane Törnqvist (ja, genau die) offiziell zumindest auf der Bank, meist jedoch auf der Tribüne. Und unten zwei junge Spielerinnen und Landström.

Sponsor Peter Bronsman hatte Nilsson versprochen, dass der Club investiert, dass man mithalten wolle mit Tyresö und Malmö. Aber er hat seine Millionen dann doch lieber im Tresor gelassen. Das ist schon ein wenig unfair, denn wie ich es verstanden habe, hatte Nilsson gerade unter der Prämisse der Verstärkung für zwei Jahre unterschrieben, von denen er sich nun eines sparen wird.

Ich werde ihn vermissen, den verschmitzten Gentleman, den Mann, der seinerzeit seinen IFK Göteborg zum UEFA-Pokalsieg schoss, im Finale gegen den Hamburger SV. Den Mann, der seine Spielerinnen auch schon mal Samstagabend anrufen konnte, um zu hören wie es ihnen ging. Linnéa Liljegärd hat mir das einmal erzählt. „Das kann schon mal nerven,“ sagte sie lächelnd, „aber es ist eigentlich auch ganz schön, denn er meint es ernst.“