Zlatan Ibrahimovic: „Es war ein Scherz“

Nach drei Tagen intensiver Medien- und Blogdebatte in Schweden und Artikeln in ausländischen Zeitungen vom Guardian bis zur Augsburger Allgemeinen meldete sich heute der Weltstar persönlich zu Wort.

Über seine persönliche App für Smartphones, IPad und anderen Tablets, mit der man sich stets darüber informieren kann, was der Meister denkt und tut, verlautete Zlatan Ibrahimovic, dass die Sache mit dem Fahrrad ein Scherz zwischen ihm und dem Reporter gewesen sei. Er bleibe dabei, dass er die Medien für die Berichterstattung über das an Anders Svensson versprochene Auto kritisiere, er habe aber nie die Absicht gehabt, die Frauennationalmannschaft Schwedens herabzusetzen oder gar zu demütigen. Er respektiere die großen Leistungen der schwedischen Frauenfußballnationalmannschaft und er habe leider nicht geahnt, dass das unschuldige Fahrrradzitat zu so großen Schlagzeilen führen würde.

Damit wäre dann alles erledigt? Wohl kaum. Denn so richtig wird das dem 32-Jährigen Weltklassestürmer von Paris Saint-Germains kaum jemand abnehmen.

Jennifer Wegerup, ehemalige schwedische Klassespielerin und heute Sportreporterin bei der Boulevardzeitung Aftonbladet schreibt einen interessanten Kommentar hierzu in der heutigen Ausgabe. Sie kennt Ibrahimovic seit zehn Jahren, hat ihn immer wieder getroffen und interviewt. Es sei sehr ungewöhnlich, schreibt sie, dass Ibrahimovic zu eigenen Äußerungen in die Defensive geht. Das zeige, dass ihn der Wirbel überrascht hat und ihm wohl auch geraten wurde, sich dazu möglichst moderat und fast entschuldigend zu äußern.

Zlatan Ibrahimovic habe in den zehn Jahren ihrer Bekanntschaft Wegerup niemals in irgendeiner Weise schlecht oder herablassend behandelt. Als Frau in der Welt des Sportjournalismus begegne man sehr oft urmännlichen Klischees und sei oft sexuellen Belästigungen ausgesetzt. Das finge damit an, so Wegerup, dass Spieler einem ihre Zimmernummer geben und männliche Kollegen sagen, dass „richtige Frauen“ nicht als Sportreporter arbeiten würden. Ibrahimovic aber habe sich immer korrekt verhalten.

Einmal, bei einem Interview in Paris, habe Zlatan zu ihr gesagt: „Die Leute verstehen oft nicht, wenn ich einen Witz mache, über die Jahre bin ich oft missverstanden worden.“

Aber, so Wegerup: „Aber das bedeutet nicht, dass er sagen kann, was er will. Mit der Rolle, die er als Kapitän der Nationalmannschaft hat, folgt auch Verantwortung sowie Erwartungen und Forderungen und dass weiß er sehr wohl.“

Dass Verbandspräsident Karl-Erik Nilsson sich mit einer butterweichen Erklärung, deren Kernaussage „Jeder Spieler darf sagen, was er will“ herausredet, wundert Wegerup nicht. Nilsson und der Verband hätten panische Angst, dass der letzte Spieler von internationaler Klasse nach einem Verweis die Nationalmannschaft boykottieren könnte. Dadurch würde man Millionen an Einnahmen verlieren.

Anette Börjesson, Herausgeberin von MARTA fotbollsmagasin und www.damfotboll.com schrieb gestern Abend in einem Kommentar auf der Internetseite, dass sie sich bei Zlatan Ibrahimovic bedanken möchte. Unter der Überschrift „Danke, Zlatan!“ schreibt Börjesson, dass es ein Verdienst des 32-Jährigen sei, dass er ihr klargemacht habe, dass keine der Errungenschaften des Frauenfußballs selbstverständlich sei. Dass es sein Verdienst sei, deutlch gemacht zu haben, wie es wirklich um die Situation des Frauenfußballs aber auch von Frauen im Allgemeinen im ausgehenden jahr 2013 bestellt sei. Und dass klar werde, dass mit diesem Interview im Expressen eigentlich der Kampf wieder von vorn beginne.

Pia Sundhage sagte im Sommer in einem ansonsten eher schwachen Dokumentarfilm über die Entwicklung des Frauenfußballs in Schweden, dass man nicht nachlassen dürfe. In dem Moment, in dem wir es für selbstverständlich halten, dass wir Mädchen- und Frauenmannschaften haben, dass wir nicht erst spät abends trainieren dürfen, dann, wenn die Jungs und Männer fertig sind, in dem Moment, in dem wir uns zurücklehnen und uns ausruhen auf dem, was wir erreicht haben, in diesem Augenblick wird es Kräfte geben, die uns all das wieder wegnehmen wollen, so Sundhage im Frühjahr 2013. Wie Recht sie doch hat.

 

Zlatan II – Zur Stellung des Frauenfußballs in Schweden, Reaktionen und Gedanken

Das Interview Zlatan Ibrahimovics mit dem unkritischen Reporter von Expressen war von langer Hand geplant. Das wissen wir heute. Der schwedische Fußballkönig hatte sich unmittelbar nach der „Autoaffäre“ bereits maßlos darüber aufgeregt, dass man seinem Mannschaftskameraden Anders Svensson den Abschied vermieste und auch darüber, dass Mitarbeiter des schwedischen Fußballverbands, darunter sein engster Vertrauter beim SvFF, wegen der tolpatschigen und ignoranten Vorgehensweise in der Live-Sendung des TV4 kritisiert wurden.

Und wie schon damals im Getto von Rosengård in der nicht einfachen Kindheit gelernt, stellte sich Ibrahimovic wie ein Alfarüde vor sein Rudel, vor seine Gang. Man kennt dieses Verhalten von ihm auch auf dem Platz. Oft ist er vom Platz geflogen und auch die eigenen Mannschaftskameraden haben bisweilen die Leader-Eigenschaften des 32-Jährigen Schweden zu spüren bekommen. Nach einem Spiel seines AC Mailand 2011 trat er seinem Mitspieler Antonio Cassano „scherzhaft“ gegen den Kopf, als dieser sich mit einem Reporter unterhielt. Mit dem amerikanischen Abwehrspieler Oguchi Onyewu kam es, ebenfalls in Mailand, aber 2010, zu einem Faustkampf während des Trainings, als Ibrahimovis Onyewu mit ausgestreckten Beinen angrätschte. Marco Rossi (Bari) und Salvatore Aronica (Neapel) haben Faustschläge des Stürmers abbekommen, die jeweils zu roten Karten führten.

In Schweden hat das dem Ansehen des Nationalmannschaftskapitäns nicht im Geringsten geschadet. Er dürfte der mit Abstand populärste Besitzer eines schwedischen Passes sein. Seine Autobiographie „Ich, Zlatan“ hat nicht nur den majestätischen Titel, sie wurde auch innerhalb weniger Monate zum meistverkauften Buch in der Geschichte des Königreichs, erfolgreicher als alle Wallander-Krimis oder Stieg-Larsson-Geschichten.

Die schwedischen Medien begleiten jeden Schritt und auch jeden Tritt (das klingt jetzt irgendwie doppeldeutig) von Ibrahimovic mit ehrfürchtigem Staunen und beten ihn an. Die Zeitung Sydsvenska Dagbladet, die viel auch über den Frauenfußball und über den örtlichen Verein LdB FC Malmö (bald schon FC Rosengård, Ibrahimovics ureigenes Revier) berichtet, hat auf ihrer Internetseite unterhalb des Ressorts SPORT weitere Unterabteilungen wie MALMÖ FF, LdB FC und eben auch ZLATAN. Vor ein paar Jahren war ich auf der Fußballgala, die damals noch nicht in Ericsson Globe, sondern im kleineren Hovet stattfand und interviewte die Preisträgerinnen, Sara Thunebro, Therese Sjögran (!) und andere. Eine eifrige Reporterin von Aftonbladet stürmte hinter jedem Preisträger her und fragte nichts Persönliches, sondern wollte von allen jeweils ihre beste Zlatan-Erinnerung haben.

All das steigt zu Kopf. Dazu fließen jeden Monat 1,5 Millionen € netto auf die Konten des 32-Jährigen und wohin er auch kommt, empfängt man den bekennenden Katholiken ihn mit göttlicher Verehrung. Wer würde da nicht größenwahnsinnig werden?

In Europa vergleiche man ihn mit Messi und Ronaldo, aber wenn er nach Hause komme, werde er nach Lotta Schelin gefragt. Da müsse man sich doch schämen.

Der schwedische Fußballverband hat sich inzwischen gemeldet, nachdem sich erst einmal am gestrigen Tag viele, viele Journalisten und Spielerinnen gemeldet haben. Der Vorsitzende von SvFF, Karl-Erik Nilsson, gab seiner eigenen Homepage ein Interview, in dem er sagte, dass jeder Spieler das Recht auf freie Meinungsäußerung hätte. Man müsse das Interview aber auch genau lesen und da hätte sich Ibrahimovic doch immerhin mit großem Respekt vor den Leistungen der Frauen geäußert. Der Verband sei für Gleichberechtigung, aber jeder dürfe sagen, was er will. Da kuscht sogar der Verbandspräsident, aber von dem schwachen Nilsson konnte man auch nichts anderes erwarten. Immerhin hat die, mit heutigem Blick, schwachsinnige Idee des Verbands, Svensson ein Auto zu schenken, erst zu all dem geführt. Aber die Probleme liegen tiefer, die Autoaffäre ist nur der äußere Auslöser. Hier geht es um das Denken unter der Oberfläche und die ganze Diskussion zeigt nur, dass der schwedische Fußballverband in seinen Machtpositionen im Grunde genommen ebenso denkt wie Ibrahimovic. Frauenfußball wird primär gefördert, weil es eine starke öffentliche Meinung gibt, die das verlangt. Es ist politisch korrekt. Geliebt wird der Sport in den Chefetagen der Verbandsoberen aber nicht.

Pia Sundhage sagte schon am vorgestrigen Abend zum schwedischen Fernsehen.

„Das ist wirklich schade und schadet dem schwedischen Fußball, wenn sich ein Mannschaftskapitän so ausdrückt. Es zeigt auch, dass es im männlichen Wertekanon des Fußballs Mängel gibt.“

Nilla Fischer, Spielerin in Diensten des VfL Wolfsburg, tweetete: „Gehört zum Dümmsten, was ich je gelesen habe.“

Differenziert und klug äußerte sich Malmös junger Meistertrainer Jonas Eidevall in einem Interview mit Sydsvenska Dagbladet. Er attestierte dem schwedischen Fußballverband grundsätzliche Probleme und hob das Thema auf eine höhere Ebene.

„Fügt man das, was Zlatan als Nationalmannschaftskapitän gesagt hat, mit anderen Ereignissen zusammen, bekommt man den Eindruck, dass das, was außerhalb des Fußballplatzes geschieht, für den Verband bedeutungslos ist. Wie Nationalspieler auch außerhalb des Platzes agieren und was sie sagen, hat eine immense Bedeutung für die Zukunft des schwedischen Fußballs.“

Eidevall nennt die Nominierungen der Spieler Alexander Gerndt und Miiko Albornoz in die Männernationalmannschaft. Gerndt wurde 2012 wegen schwerer Körperverletzung begangen an seiner Ex-Frau rechtskräftig verurteilt, Albornoz erst in diesem Jahr wegen sexuellen Missbrauchs einer Minderjährigen.

„Der Nationaltrainer [Erik Hamrén] weist lediglich darauf hin, dass die Beiden nominiert werden können und dass das Einzige wäre, was zählt. Ich bin gegen Strafen auf Lebenszeit und auch Spieler, die Dinge gemacht haben, die nicht in Ordnung sind, sollen in der Nationalmannschaft spielen können. Aber Dinge unter den Teppich kehren und jeder Diskussion ausweichen, ist eine ganz andere Sache. Man muss aber darüber reden, um zu zeigen, für welche Werte der schwedische Fußball steht.“

„Der Verband muss deutlicher werden und sagen, für welche Werte schwedischer Fußball steht. Und kann man sich diesen Werten nicht anschließen, ja dann bin ich sehr skeptisch, ob man dafür geeignet ist, in der schwedischen Nationalmannschaft zu spielen.“

Ibrahimovic Angriff auf den Frauenfußball und als solcher muss das Interview aufgefasst werden, ist so fatal und destruktiv, weil er vom größten Vorbild dieses Sports kommt. Man mag sich fragen, warum der arrogante Macho Ibrahimovic vom Großteil einer ansonsten aufgeklärten und gleichberechtigt tuenden Bevölkerung wie ein kleines Kind verehrt wird, aber so ist es. Ibrahimovic gibt zehntausenden Jugendlichen nun das Signal, dass Mädchenfußball weniger wert ist. Mit seinen dummen, aber kalkulierten Äußerungen wirft er den Frauenfußball und seine Entwicklung in den Köpfen vieler Kinder und Jugendlicher um Jahre zurück. Zumindest war das sein Anliegen.

Auf dieser Spur auch der Kommentar von TV4 Sportchef Emir Osmanbegovic: „Das Schlimmste an Zlatans Äußerungen ist, dass sie als Wahrheit von hunderttausenden von Jungs aufgefasst werden, die ihn als Vorbild haben.“

Aftonbladets Robert Laul bezeichnete das Angebot Ibrahimovics den Frauen ein von ihm signiertes Fahrrad zu schenken und dass das völlig ausreiche als „höhnische Arroganz“.

Nicht unterschlagen werden sollte jedoch, dass erwartungsgemäß die Kommentarfelder bei einigen Artikeln überquellen von Hohn, Spott und Verachtung gegen den Frauenfußball. Das Thema wird uns weiterbeschäftigen, in anderer Form, aber es kommt wieder, leider.

 

 

Ein Auto für Svensson – (k)ein Auto für Sjögran

Der schwedische Nationalspieler Anders Svensson ist ein netter Kerl. Zumindest vermittelt er diesen Eindruck im Fernsehen. Am 10. September 2013 bestritt der 37-Jährige nach Rechnung des schwedischen Fußballverbands SvFF sein 144. Länderspiel und zog damit an Thomas Ravelli vorbei. Die FIFA führt ihn jedoch mit 139 Länderspielen, aber seis drum. Nehmen wir mal an, SvFF hat Recht. Ziemlich genau zwei Monate, nachdem er Rekordnationalspieler wurde, fand gestern Abend im Stockholmer Ericsson Globe die jährliche Fußballgala statt. Svensson saß im Publikum und mitten in der Sendung wurde er von einem der beiden Moderatoren aufgesucht, der dem verdutzten Mann zuerst ein Auto zeigte und danach von SvFF:s Generalsekretär Mikael Santoft die Schlüssel dazu überreichen ließ. Ein VOLVO-Kombi im Wert von 345.000 schwedischen Kronen (ca. 39.140 €). Das sei dank des Sponsors VOLVO möglich, murmelte Santoft. Schnitt, Blende, Werbung, nächstes Thema.

Die schwedische Nationalspielerin Therese Sjögran hat 182 Länderspiele und überholte Victoria Sandell Svensson bereits vor zwei Jahren als Rekordnationalspielerin. Es war während des Turniers an der Algarve im März. Sjögran bekam einen Blumenstrauß. Gestern Abend saß die 36-Jährige im Publikum im Ericsson Globe und retweetete fleißig den allmählich entstehenden Shitstorm, der sich über den schwedischen Fußballverband ergoß. „Wenn er ein Auto kriegt, müsste sie eigentlich zwei kriegen,“ sagte Mannschaftskameradin Nilla Fischer.

Das ist natürlich Quatsch. Gestern Abend offenbarte sich in der Tat die unterschiedliche Sichtweise innerhalb des Verbandes. Männerfußball vs. Frauenfußball. Ein 345.000 Kronen-Auto für einen Mittelfeldspieler und vor zwei Jahren ein Blumenstrauß für vielleicht 400 Kronen für die Mittelfeldspielerin.

Alle Zeitungen, alle Radiostationen, jeder, der etwas in Schweden mit Frauenfußball zu tun hat und ein Twitterkonto hat, schrie es raus. Das darf doch nicht wahr sein. Was kriegt Sjögran? Sie hatte ja schon was bekommen. Während der Anlass bei Anders Svensson gerade mal zwei Monate her war, lag Sjögrans Errungenschaft, Rekordnationalspielerin zu werden, schon zweieinhalb Jahre zurück. Aber die Frau wurde vor zweieinhalb Jahren eben mit einem Blumenstrauß abgespeist. Und das schlug dem Fass den Boden aus.

Am späten Nachmittag heute verkündete der Präsident von SvFF, Karl Erik Nilsson, dass man von Anfang an vorgehabt hatte, Sjögran auch zu ehren, aber nicht gestern Abend. Später halt. Und eine knappe Stunde später sagte dann Schlüsselüberreicher Mikael Santoft, der Generalsekretär, dass man von Anfang an vorgehabt hatte, Sjögran exakt dasselbe Auto zu geben. Später halt. Findige Journalisten riefen daraufhin bei Volvo an und fragten, ob SvFF einen Volvo für Sjögran geordert hätte. Nein, davon ist mir nichts bekannt, sagte der Pressesprecher der inzwischen im chinesischen Besitz befindlichen schwedischen Automarke. Und aus irgendeinem Grund glaubt die Öffentlichkeit weder Nilsson noch Santoft. Von Anfang an vorgehabt. Später halt. Nicht gestern.

Und der arme Svensson musste am Abend auch noch von SvFF interviewt Stellung nehmen: „Sicher, ich bin der Meinung, dass Therese Sjögran für ihre außerordentliche Karriere auch ein Auto verdient hätte,“ sagte der 37-Jährige. Und das glaubt man ihm auch. Jetzt warten wir. Auf den Fototermin an dem Tag, an dem Therese Sjögran die Schlüssel medienwirksam überreicht bekommt. Was für ein Eigentor, SvFF.