Der offene Brief eines Fußballvaters aus Tyresö


Anders Bengtsson, Vater von drei in Tyresö Fußball spielenden Mädchen hat vor dem Spiel gegen Birmingham einen offenen Brief an die großen Sportredaktionen geschrieben. Sein Brief verdeutlicht den Schmerz, den die ideell arbeitenden Erwachsenen und Jugendlichen darüber empfinden, wie in diesen Wochen über ihren Verein geschrieben wird. Hier ist der Text in deutscher Übersetzung:

 

Tyresö FF ist ein Fußballverein, der sich 1971 von Tyresö IF abspaltete. Den Verein gibt es also seit 43 Jahren und viele tausend Kinder, Jugendliche und ideell arbeitende Eltern haben am Tyresövallen viele, viele tausend Arbeitsstunden eingebracht. Oder dem Bollmoravallen, wie die meisten dieser vielen Tausend ihn nennen würden.

Es sind Fußballschulen, Camps, Trainerausbildungen, Elternabende, Weihnachtsbaum- und Lotterieverkauf organisiert worden und jeden Abend und jedes Wochenende seit der Gründung in den frühen 70er Jahren ist Fußball trainiert worden.

2006 entschloss sich ein Unternehmer, Hans Löfgren, dass die Frauenmannschaft die Champions League gewinnen soll. Er hat dieses Projekt mit großer Entschlusskraft und mit einem großen Arbeitseinsatz betrieben, unerheuer groß. In den letzten Jahren hatte er Hans Lindberg und den Vorstand auf seiner Seite, zu Beginn war es vor allem Hans selber und das Niveau, auf dem sich die Mannschaft befand, das es ermöglichgte, dass er es selber schaffte.

Der Verein Tyresö FF machte weiter mit seinem Betrieb im selben Umfang wie in den Jahren zuvor. Tausende Kinder, abhängig davon, dass die Eltern mitmachen können als Mannschaftsleiter, Trainer, Caféteriapersonal und so weiter.

Mit dem Aufstieg der Frauenmannschaft im Seriensystem und in diesem jahr auch in der Champions League sind die ideelen Elterneinsätze gewachsen, sonst hätten die Veranstaltungen nicht durchgeführt werden können.

Wenn dann die Blase zerplatzt, wovon natürlich seit 2006 immer wieder schon mal geredet wurde, dann wenden sich Spielerinnen an die Medien (die dann gerne weiterspinnen an den Geschichten) und beklagen sich über den „Club“ und den „Verein“. In den Zeitungen können nun alle Kinder und Jugendliche un die mit den Jahren tausenden ideellen Eltern lesen, dass TyresöFF ein schlechter Club ist. Die Spielerinnen sind mit Recht enttäuscht von der Gesellschaft (die die Mannschaft betreibt und sorgen sich über ihre rechtmäßig verhandelten Einkünfte. Die Kritik aber gegen den Verein zu richten und dem Club Misserfolg zu wünschen ist geschmacklos.

Ich habe drei Töchter im Verein. Sie spielen in den Jahrgangsmannschaften 2000, 2002 und 2005. Die Mädchen aus dem Jahrgang 2002 werden beim Spiel als Ballmädchen arbeiten. Die Leiter versammeln die Mädchen eine Stunde vor dem Spiel und helfen ihnen während des Spiels und danach. Über die etlichen Stunden pro Woche hinaus. „Soll ich mich anmelden?“ fragt meine Tochter. „Sollen wir uns das Spiel ansehen?“ fragen die anderen beiden Kinder.

Ja, das werden wir. Geht auch hin, wenn ihr das lest. Seid freundlich zu den Leuten an den Kassen, die kriegen nichts dafür, dass sie da stehen und ihr würdet nicht reinkommen, wenn die nicht mitmachen würden. Schenkt den Leuten, die links vom Eingang Hamburger verkaufen ein Lächeln. Es sind für gewöhnlich Spielerinnen aus der Mädchenmannschaft und deren Verwandte. Vor der Caféteria stehen sicher Sandra, Fredrik und Göran, wenn ihr frühzeitig kommt. Fredrik hat seit 2003 Mädchen im Verein trainiert und nicht eine einzige Öre dafür als Lohn entgegengenommen. Er ist jeden Abend und jedes Wochenende auf dem Vallen der Jugendlichen wegen.

Wenn ihr Lust auf Kaffee habt, stehen da sieben oder acht Eltern in der Caféteria und freuen sich über ein freundliches Wort. Die standen schon 2005 da, als die Frauenmannschaft aus der dritten Liga abstieg.

In der Caféteria findet ihr sicher auch Brittis und Björne. Brittis hat die Caféteria jahrzehntelang ideell betieben. Björne war Sportchef für die Frauen (vor dem genannten Löfgren) und war verantwortlich für das Hallenturnier „ST-Cupen“. Beim ST-Cupen arbeiten alle Jugendlichen von Tyresö FF und ihre Eltern ideell an einem Wochenendetag. Davon lebt der Jugendfußball jedes Jahr. Sagt gerne danke zu Brittis und Björne.

Wenn ihr euch auf die Tribüne setzt, habt ihr natürlich mindestens zehn weitere Funktionäre passiert. Vielleicht seht ihr, wie Gunilla auf dem Weg zur Sprecherkabine ist. Gunilla war Trainerin der schwedischen Frauenfußballnationalmannschaft und hat bedeutend mehr Stunden in den Mädchen- und Frauenfußball in Tyresöinvestiert als Marta, Seger und Dahlkvist.

Wenn dann Hans und Hans nach dem Sieg, ja es wird zweifellos einen Sieg für Tyresö geben, sich mit den Spielerinnen hinsetzen können, die sie angeworben haben und mit denen sie verhandelt haben und ihre Probleme miteinander lösen. Denn die Problematik liegt in gebrochenen Verträgen und mangelhafter Kommunikation zwischen angeworbenen Stars und der „Projektleitung“.Dann können alle Jugendlichen und deren Eltern weiterhin ihrem Interesse nachgehen, vielleicht sogar ihrer Leidenschaft, Woche für Woche auf dem Tyresövallen ohne glauben zu müssen, dass sie einem schlechten Club angehören.

Ein Verein ist viel mehr als ein zeitlich befristetes projekt, er soll auch für die nächste Generation da sein.

Mit freundlichen Grüßen

Anders Bengtsson, dreifacher Fußballvater und Ballmädchenanhänger am Wochenende

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